Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 207
kämpfen hat, die stets die Gefahr in sich tragen, Deutschland in seiner
eignen inneren Entwicklung zu stören oder in äußere Verlegenheiten zu
verwickeln.
Es sollte demnach wohl die Konsolidierung des österreichischen Kaiser-
staats abgewartet werden können, bevor Deutschland eine Verpflichtung
eingeht, deren Erfüllung vielleicht kaum ausführbar sein dürfte.
Endlich gestatte ich mir einen Zweifel darüber zu äußern, ob es in
Bayerns Interesse liegen kann, Preußen gegenüber als der Vertreter
österreichischer Interessen zu erscheinen, bevor Oesterreich selbst einen solchen
Wunsch zu erkennen gegeben hat.
Dürfte es unter diesen Verhältnissen nicht richtiger sein, die Regelung
der Beziehungen des durch Bündnis vereinten Deutschlands zu Oesterreich
in dem Bundesvertrage auf ähnliche Weise in Aussicht zu stellen, wie
dies in dem Verfassungsentwurfe des Norddeutschen Bundes in betreff der
süddeutschen Staaten geschieht?
Diese Form ist viel eher für alle Teile annehmbar und dürfte wohl
den Interessen, welche Sie zu berücksichtigen suchen, in genügender Weise
entsprechen.
Eine Bearbeitung aller derartigen Vorschläge halte ich zwar für
wünschenswert, um sich auf die Zeit vorzubereiten, wo das Verfassungs-
werk des Norddeutschen Bundes seinen Abschluß wird erreicht haben. In-
sofern aber seit unsrer Besprechung in Mühlacker die Lage der Verhält-
nisse sich bedeutend verändert hat, indem entscheidende Aussprüche in Paris
und Berlin über manche Fragen ganz neues Licht verbreitet haben, er-
scheint es mir wünschenswert, daß wir uns diesen Verhältnissen gegenüber
vorerst noch zuwartend verhalten.
Die Verhandlungen des Reichstags in Berlin und die ganze Ent-
wicklung des Norddeutschen Bundes werden uns wohl in nicht ferner Zeit
sichere Anhaltspunkte für den Inhalt und die Formen der von uns er-
strebten Verbindung bringen. Es wird uns dann leicht sein, solche zu
erfassen und weiter zu verwerten.
Ich glaube mich indessen mit Ihnen in Uebereinstimmung zu befinden,
wenn ich das zunächst anzustrebende Bundesverhältnis mit Preußen als
einen Uebergangszustand bezeichne, der damit endet, daß eine Verfassung
sämtliche deutsche Gebiete soll umfassen können. Mit großem Interesse
und aufrichtiger Dankbarkeit werde ich Ihre weiteren Mitteilungen empfangen.
Nach Empfang dieses Schreibens sandte der Fürst den Ministerialrat
Grafen Tauffkirchen nach Karlsruhe, um dem Großherzog die Absichten
der bayrischen Regierung näher zu erläutern. Nach dessen Rückkehr schrieb
er dem Großherzog: