208 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
München, 14. März 1867.
Eurer Königlichen Hoheit erlaube ich mir meinen untertänigsten Dank
für das gnädige Schreiben vom 4. d. M. auszusprechen, sowie für die
huldvolle Aufnahme, welche Eure Königliche Hoheit dem Grafen Tauff-
kirchen zuteil werden zu lassen geruht haben.
Der Brief Eurer Königlichen Hoheit und der Bericht des Grafen
Tauffkirchen haben mir einen neuen Beweis der freundlichen Gesinnung
gegeben, mit welcher Eure Königliche Hoheit mich beehren, auch geben sie
Zeugnis von einer solchen Annäherung der Ansichten, daß meine Hoff-
nungen auf ein gedeihliches Zusammenwirken der südwestdeutschen Staaten
in der deutschen Frage neu belebt ist.
Ehe ich aber auf die besprochenen Fragen näher eingehe, bitte ich
Eure Königliche Hoheit, mir zu gestatten, die bestimmte Versicherung vor-
auszuschicken, daß meine in dem Briefe vom 19. Februar über die An-
bahnung freundlicher Verhältnisse zu Oesterreich gemachten Bemerkungen
in keiner Weise durch Einflüsse des Wiener Hofs oder der hier bestehen-
den österreichischen Partei veranlaßt, sondern der Ausdruck meiner eignen
bestimmten Ueberzeugung waren, nach welcher eine Allianz zwischen Deutsch-
land und Oesterreich als das geeignete Mittel erscheint, europäische Ver-
wicklungen fernzuhalten und den Frieden zu sichern, dessen die südwest-
deutschen Staaten nicht minder als Oesterreich dringend bedürftig sind.
Wenn ich nun das Resultat des bisherigen Gedankenaustausches zu-
sammenfasse, so glaube ich meinen Standpunkt, und zwar bis jetzt nur
als eine höchst persönliche Ansicht, in folgenden Sätzen bezeichnen zu dürfen.
Der Zeitpunkt, in welchem die zum Abschluß des Norddeutschen Bun-
des drängende preußische Regierung gemäß Artikel 711) des Verfassungs-
entwurfs die vertragsmäßige Regelung der Verhältnisse zu Süddeutschland
verlangen wird, steht nahe bevor. Es ist dringend zu wünschen, daß in
solchem Augenblick eine Einigung der südwestdeutschen Staaten über ihre
dann in dieser Frage einzunehmende Haltung bereits so weit als möglich
erzielt sei.
Diese Einigung wird namentlich ohne Verzug dann anzubahnen sein,
wenn die Basis, auf der sie beruht, unabhängig von den Modifikationen
1) Artikel 71 des Entwurfs lautete: „Die Beziehungen des Bundes zu den
süddeutschen Staaten werden sofort nach Feststellung der Verfassung des Nord-
deutschen Bundes durch besondere dem Reichstage zur Genehmigung vorzulegende
Verträge geregelt werden."“
Auf Antrag von Lasker und Migquel erhielt der Artikel durch Beschluß des
Reichstags vom 10. April den Zusatz: „Der Eintritt der süddeutschen Staaten oder
eines derselben in den Bund erfolgt auf Vorschlag des Bundespräsidiums im Wege
der Bundesgesetzgebung.“