210 Das bayrische Ministerium (I867 bis 1870)
Bezüglich der Art, wie sich die vier Staaten zu solchem gemeinsamen
Antrag an den Norddeutschen Bund zu einigen hätten, für heute nur so
viel, daß die Berufung eines süddeutschen Parlaments zu diesem Zwecke
mir nicht wünschenswert erscheint, im Gegenteil, je geheimer dieses Einigungs-
werk betrieben wird, um so mehr Aussicht dafür gegeben ist, der Ein-
wirkung störender Einflüsse überhoben zu sein.
Eure Königliche Hoheit haben mit dem Ministerialrat Grafen Tauff-
kirchen die Frage berührt, ob nicht zu versuchen wäre, die Ansicht des
Grafen Bismarck über eine Allianz mit Oesterreich zu erforschen. Der
dermalige Stand der orientalischen Frage legt demselben offenbar die
größte Reserve in dieser Beziehung auf, und würde deshalb vielleicht vor-
zuziehen sein, den ganzen eben dargelegten Plan vorläufig und bis wenigstens
Bayern, Württemberg und Baden Einigung über dessen Grundzüge erzielt
haben, gänzlich geheimzuhalten.
Für diesen Brief des Fürsten dankte der Großherzog umgehend am
16. März. Im Begriff, nach Berlin abzureisen, verschob er die Fortführung
der sachlichen Verhandlung bis zur Rückkehr von dieser Reise. In Berlin
wollte er, ohne das Projekt des Fürsten dem Grafen Bismarck mitzuteilen,
doch dessen Ansichten über die Entwicklung des Verhältnisses zu Süd-
deutschland zu erforschen suchen. „Da ich nun aber,“ schreibt der Groß-
herzog weiter, „nicht zu lange Zeit vorübergehen lassen möchte, ohne Sie
über meine Beurteilung Ihres jüngsten Schreibens zu unterrichten, will
ich Ihnen hierzu eine mündliche Gelegenheit verschaffen. Staatsrat
Dr. Gelzer hat es übernommen, nach München zu reisen, wo er wohl am
Dienstag dem 19, eintreffen kann. Er ist mein langjähriger, intimer und
wohlerprobter Freund. Das hieraus entspringende unbedingte Vertrauen
zu ihm vergönnt mir, dasselbe auf die vielfachsten Gebiete des Lebens aus-
zudehnen, und daher ist er denn auch von Ihren Vorschlägen und Briefen
sowie von meinen Anschauungen genau unterrichtet. Es würde mich sehr
freuen, wollten Sie die Güte haben, Herrn Staatsrat Gelzer auch Ihr
Vertrauen zu schenken, und ihm Gelegenheit geben, sowohl meine als ins-
besondere seine eignen Anschauungen darzulegen. Ich empfehle ihn daher
recht angelegentlich Ihrem Wohlwollen.“ Gelzers Name war dem Fürsten
schon aus seiner Jugend vertraut, da seine religiösen Schriften besonders
von der Mutter des Fürsten geschätzt waren. 1) Die Wahl dieses Mannes
zur mündlichen Verhandlung der deutschen Frage war daher dem Fürsten
besonders willkommen, und nachdem Gelzer am 21. März in München ein-
getroffen war, fanden zwischen ihm und dem Fürsten Besprechungen statt,
1) Siehe Seite 34.