Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

228 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
meiner dortigen Anwesenheit sind mir zwei Wahrnehmungen am bedeutungs- 
vollsten in dieser Beziehung erschienen: 
Einmal glaube ich nicht, daß man dort für irgendein andres Interesse 
ein offenes Ohr und ein eingehendes Verständnis erwarten darf, bis die 
norddeutsche Bundesverfassung gesichert ist. 
Sodann konnte ich mich dort überzeugen, daß nach Annahme der 
norddeutschen Bundesverfassung sofort die Beratung einer Zollvereins- 
revision (wie dies auch gar nicht anders zu erwarten war) die erste Stelle 
vor allen sonstigen Unterhandlungen einnehmen wird. Hierauf glaube ich 
Sie um so entschiedener aufmerksam machen zu müssen, weil mir in Berlin 
von dem Grafen Bismarck nicht verhehlt wurde, welchen ungünstigen Ein- 
druck dort eine Denkschrift in der Zollvereinssache gemacht hatte, welche 
gerade in jenen Tagen von München eingetroffen war. ) 
Für Ihre neueste gütige Mitteilung in betreff der Genehmigung, 
welche Sie von dem Könige erlangten, in den hier genannten Fragen 
die ersten Schritte zu tun, bin ich Ihnen sehr dankbar. 
Mit Ihnen wünsche ich von Herzen, daß die Luxemburger Angelegen- 
heiten keine neuen Störungen in die Entwicklung der deutschen Verhält- 
nisse bringen. Immerhin kann aber diese Frage ein Probestein werden 
für den wahren Gehalt der deutschen Nation, und in diesem Falle dürfte 
Einigung und Kräftigung daraus erwachsen. 
Bericht an den König. 
München, 10. April 1867. 
Die Frage wegen Abtretung des Großherzogtums Luxemburg an 
Frankreich hat in wenigen Tagen die Gefahr eines Kriegs zwischen Preußen 
und Frankreich in drohende Nähe gerückt. Daß sich Bayern der Teilnahme 
an einem solchen Kriege nach dem Wortlaute des Allianzvertrags vom 
22. August 1866 und der Stimmung im Lande nicht würde entziehen 
können, steht außer Zweifel. Um so dringender ist es, jede gebotene 
Möglichkeit zu ergreifen, die Kriegsgefahr zu beseitigen oder äußersten- 
falls durch eine Allianz zu verringern, die geeignet ist, den Rücken zu sichern. 
Von diesem Gesichtspunkte aus ist auch die Aufforderung des Grafen 
Bismarck aufzufassen, über die Geneigtheit Oesterreichs zum Abschluß 
einer Allianz mit Preußen und Bayern Erkundigungen einzuziehen. 
Die offiziellen, durch den Grafen Bray in dieser Beziehung eingeleiteten 
Schritte haben zu der ziemlich kühlen Antwort geführt, welche Eurer 
Königlichen Majestät aus der vorliegenden Depesche vom 7. d. M. ersicht- 
lich ist. Eingehender sprach Baron Beust über die Frage mit einer 
Privatperson, welche im Auftrage des treugehorsamst Unterzeichneten sich 
1) Denkschrift des bayrischen Ministerialrats Weber. 
 
	        
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