236 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
Tauffkirchen am Heutigen mit Frühzug nach Nördlingen, woselbst Freiherr
von Varnbüler bereits anwesend war.
In dem Wohnzimmer des Bahnhofsvorstands fand hierauf zwischen
den drei Genannten folgende Besprechung statt.
Baron Varnbüler las seine Depesche an Grafen Degenfeld vom 29.
vor und behändigte sie zu weiterer Verfügung dem Fürsten.
Er fügte erläuternd bei: die Sendung des Grafen Tauffkirchen hat
in Paris eine sehr tiefgehende Mißstimmung hervorgerufen. Der französische
Gesandte in Stuttgart, dem er wahrheitsgemäß erklärt, daß er an dieser
Mission weder Anteil noch von derselben Kenntnis habe, gebrauchte die
Worte: „Bayern wird, wenn es zum Kriege kommt und Frankreich sieg-
reich ist, teuer, sehr teuer für diesen Schritt büßen müssen.“ Die Berichte
des Baron Wächter aus Paris stimmten hiermit überein. Auch Baron
Beust habe sich Baron Thumb gegenüber, der instruktionsgemäß über die
Frage der Rekonstituierung Deutschlands die größte Zurückhaltung be-
obachtet habe, ungünstig und unfreundlich über den bayrisch-württem-
bergischen Plan geäußert. Varnbüler las eine Stelle aus einer neueren
Depesche Thumbs vor, nach welcher — so wenigstens las Varnbüler —
Beust ihm gesagt habe: er gedenke nicht, den Ultramontanen in Bayern
ein Pflaster abzugeben. Das Wort „Allianz“ werde nun einmal mit den
Konflikten zwischen Preußen und Frankreich in Beziehung gebracht und
errege in Paris den größten Anstoß. Es sei demnach sehr geraten, eine
andre Fassung zu substituieren, und er müsse für Württemberg auf dieser
Aenderung um so mehr bestehen, als ja bei den Beratungen in Wirklich-
keit diesem Ausdrucke solche aggressive Bedeutung nicht entfernt unterlegt
worden sei.
Varnbüler fuhr fort: Nach den neuesten Berichten aus Berlin bestehe
daselbst zurzeit, eben um einen außerdem drohenden Krieg mit Frankreich
zu vermeiden, die Absicht, in nationaler Einigung mit dem Süden vor-
zuschreiten, durchaus nicht. Varnbüler las Stellen aus einem Berichte des
Gesandten Baron Spitzemberg vom 24. Mai 1867 vor, wonach Graf
Bismarck demselben eröffnet, er gedenke sich für jetzt auf Regelung der
Zollvereinsangelegenheiten zu beschränken und werde, wenn es nicht einer
der Südstaaten ausdrücklich verlange, nicht weiter gehen. Auch eine be-
sondere Militärkonvention verlange er nicht. Energische und gleichmäßige
Durchführung der Stuttgarter Beschlüsse genüge ihm. Spitzemberg habe
darauf angeregt, ob es nicht geraten sei, zur Abkürzung der nach Pfingsten
beabsichtigten Zollkonferenzen, denselben zur Feststellung der Grundlagen
Ministerkonferenzen vorhergehen zu lassen. Bismarck sei auf diesen Ge-
danken sehr bereitwillig eingegangen. Er meinte, die Einladung solle auf
Konferenzen der Minister des Aeußern ohne vorher festgestelltes Programm