240 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
Oesterreichs gegen Preußen bei der auf Seite der ersteren einmal bestehenden
und für dieselben maßgebenden, gleichviel ob berechtigten oder nicht berech-
tigten Auffassung des Prager Friedens, auch um Fernhaltung der Gefährdung
des europäischen Friedens handelt.
Ludwig.
Schreiben des Fürsten an die bayrische Gesandtschaft
zu Wien.
München, 30. Mai 1867.
Die ausschließend zu vertraulicher Kenntnisnahme erfolgte Mitteilung
der Grundlagen, über welche die Königliche Regierung eine Einigung der
süddeutschen Staaten bezüglich ihrer nationalen Beziehungen zum übrigen
Deutschland zu erzielen sucht, hat eine mündliche Aeußerung des Freiherrn
von Beust, welche die Königliche Gesandtschaft am 12. Mai 1867 berichtet hat,
und eine wesentlich weitergehende Note des Kaiserlichen Kabinetts vom 15. I. M.,
welche mir Graf Trauttmansdorff vorgelesen hat, hervorgerufen. Die
offene Darlegung der letzteren macht der Königlichen Regierung eine ebenso
offene Erwiderung zur Pflicht.
Weder die bayrische noch eine andre der süddeutschen Regierungen hat
einen Vertrag eingegangen, welcher sie in ihrer Berechtigung, ihre nationalen
Beziehungen zum übrigen Deutschland nach eignem freien Ermessen zu regeln,
irgendwie beschränkte. Der Nikolsburger Präliminarvertrag vom 26. Juli
1866, auf dessen Artikel II der zwischen Preußen und Bayern am 22. August
1866 abgeschlossene Friedensvertrag in Artikel V Bezug nimmt, enthält eine
solche Beschränkung und namentlich die dem Artikel IV des Prager Friedens
vom 23. August 1866 beigefügte Klausel 1) nicht. Er enthält keine Ver-
1) Artikel III des Berliner Friedens (zwischen Preußen und Bayern) vom
22. August 1866: „Seine Mjestät der König von Bayern erkennt die Bestimmungen
des zwischen Preußen und Oesterreich zu Nikolsburg am 26. Juli 1866 abgeschlossenen
Präliminarvertrags an und tritt denselben, soweit sie die Zukunft Deutschlands
betreffen, auch seinerseits bei.“
Artikel IV des Prager Friedens vom 23. August 1866: „Seine Mojestät der
Kaiser von Oesterreich erkennt die Auflösung des bisherigen Deutschen Bundes an
und gibt seine Zustimmung zu einer neuen Gestaltung Deutschlands ohne Beteiligung
des österreichischen Kaiserstaats. Ebenso verspricht Seine Majestät, das engere
Bundesverhältnis anzuerkennen, welches Seine Majestät der König von Preußen
nördlich von der Linie des Mains begründen wird, und erklärt sich damit ein-
verstanden, daß die südlich von dieser Linie gelegenen deutschen Staaten in einen
Verein zusammentreten, dessen nationale Verbindung mit dem Norddeutschen Bunde
der näheren Verständigung zwischen beiden vorbehalten bleibt und der eine
internationale, unabhängige Existenz haben wird.“ Der Zusatz der
letzten acht Worte unterscheidet den Prager Frieden von dem sonst gleichlautenden
Artikel II der Nikolsburger Präliminarien.