Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 241
pflichtung, sondern nur den Ausdruck der Berechtigung der südwestdeutschen
Staaten, einen Staatenverein unter sich zu bilden. Wenn die Königlich
bayrische Regierung sich bei den Friedensunterhandlungen durch der Kaiser-
lichen Regierung nicht unbekannte Umstände isoliert und hierdurch veran-
laßt fand, einen Allianzvertrag am 22. August mit Preußen abzuschließen,
so hat sie hierdurch die Verträge und insbesondere den Prager Frieden
vom 23. August, an welchem sie keinen Teil hatte, sicherlich nicht verletzt.
Ueber die Frage, ob diese Verträge mit den von Preußen zu Prag
eingegangenen Zusagen unvereinbar sind, findet sich die Königliche Regierung
zurzeit nicht veranlaßt eine Ansicht auszusprechen, muß sich jedoch dagegen
verwahren, daß dieses ihr Stillschweigen als Zustimmung aufgefaßt werde.
Dagegen erkennt die bayrische Regierung die moralische Verpflichtung voll-
kommen an, bei ihren künftigen Verträgen mit Preußen den von dieser
Macht durch den Prager Frieden angenommenen Standpunkt auch ihrer-
seits festzuhalten und die volle Verantwortung, welche sie treffen würde,
wenn durch ihre Teilnahme an einer Abweichung von diesem Vertrage
europäische Verwicklungen hervorgerufen würden. Sie ist sich bewußt,
diese Richtung bei ihren Beziehungen zu den übrigen deutschen Staaten
konsequent und nicht ohne Erfolg vertreten zu haben, sie glaubt derselben
auch bei dem Vorschlage vom 6. Mai treu geblieben zu sein und muß der
Auffassung, daß in diesem Vorschlage eine Abweichung vom Prager
Frieden zu finden sei, mit Bestimmtheit entgegentreten.
Daß durch vorherige Bildung eines süddeutschen Staatenvereins die
Rekonstituierung Deutschlands nach Maßgabe des Prager Friedens —
also ohne Oesterreich — erleichtert worden wäre, ist nicht zu bezweifeln.
Der Grund des Nichtzustandekommens eines solchen Vereins lag bis jetzt
in der rein negativen Haltung der württembergischen, badischen und hessi-
schen Regierung und in dem Mangel jedes Anklangs dieser Idee im Volke,
Umstände, welche einen solchen Versuch als vom Anbeginn verfehlt hätten
erscheinen lassen. Die bayrische Regierung mußte sich deshalb bis jetzt
auf die teilweise Einigung beschränken, welche in den Beschlüssen der Stutt-
garter Konferenz Ausdruck gefunden hat.
Für den demnächst eintretenden Fall nun, daß bei Abschluß des
Norddeutschen Bundes ein Verein der süddeutschen Staaten nicht bestehe,
begegne ich zwei extremen Ansichten.
Nach der einen wäre die Voraussetzung, unter welcher Preußen eine
beschränkende Verbindlichkeit übernommen habe, nicht eingetreten, habe also
Preußen nun unbeschränkte Befugnis, sich vertragsmäßig mit den südwest-
deutschen Staaten nach Belieben zu verbinden.
Nach der andern wäre die Bildung eines süddeutschen Staatenvereins
Vorbedingung, ohne welche jede nationale Annäherung der süddeutschen
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. I 16