Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

16 Aus der Iugend (1819 bis 1847) 
das Tagebuch, „habe ich heute und gestern recht empfunden, als ich mit 
der Feder in der Hand das Bülow-Cummerowsche Werk 1) gründlich 
studiert habe. Durch das Wiederaufleben des inneren geistigen Lebens 
schwinden alle die kleinlichen äußeren Sorgen, das Leben verliert seine 
Eintönigkeit, und ich lebe wieder ganz eigentlich. Es ist ein glücklicher 
Zufall, der Wille des Königs, daß ich zu diesem wirklichen Leben zurück- 
gekommen bin. Wenn auch die Form des hiesigen gerichtlichen Verfahrens 
eben keine Bekanntschaft mit den preußischen Verhältnissen verschafft, so 
ist doch die Bildung, welche ich dadurch erlange, das kräftige, klare juristische 
Denken mehr wert. Die Verhältnisse haben mir den hiesigen Aufenthalt 
als notwendig, als einzig möglich dargestellt. Ein Schelm macht's besser, 
als er kann. 
Eines Vorteils muß ich entbehren und bin dessen doch so bedürftig. 
Einen Freund, irgendeine Seele, der ich trauen könnte, so ganz bis ins 
Innerste, dem ich Leiden und Freuden mitteilen könnte! Außer Philipp 
Ernst und Viktor habe ich nie dergleichen besessen. Nur Sternberg, ) 
der edle, gemütvolle, wahre Mensch voll Geist und Streben nach Höherem, 
ist der einzige außer jenen beiden (neben Mama und Anmalie). Ach, 
warum ist der Mensch dem armen Mitmenschen so fremd! Warum gquält 
sich der unglückliche in dem lumpigen, kurzen Menschenleben? Und wofür? 
Um dann zu sterben. Und dazu gehen sie alle kalt umeinander herum, 
nehmen Rücksichten, qguälen und betrügen sich.“ 
11. April 1842. 
Das hausbackene Wesen der Koblenzer Hautevolee will mir noch 
nicht recht gefallen. Es fehlt jener Aplomb, jenes Sichgehenlassen der 
großen Welt. Denn das Außerordentliche einer Soiree in einer kleinen 
Stadt bringt es mit sich, daß jeder einzelne sich in einem sozusagen 
überreizten Zustand befindet, der insbesondere, wenn die Liebenswürdig- 
keit des Charakters nicht das Gleichgewicht hält, zu sehr ins Gemeine spielt. 
Am 12. April klagt das Tagebuch über „geistige Trägheit, Folge des 
Berliner Nichtstuns“. „Was für ein ganz andrer Mensch wäre ich vielleicht 
geworden, wäre ich ohne strenge hofmeisterliche Leitung vielleicht von meinem 
sechzehnten Jahre ab geblieben. Manche Torheit hätte ich begangen, vielleicht 
  
1) v. Bülow-Cummerow: Preußen, seine Verfassung und Verwaltung, sein 
Verhältnis zu Deutschland. Berlin 1842. Vergl. Treitschke, Deutsche Geschichte, 
Bd. 5, S. 198. 
2) Freiherr August v. Ungern-Sternberg, mit dem der Prinz in Bonn und 
Heidelberg studiert hatte, geboren zu Mannheim 16. August 1817, starb als Großh. 
badischer Geheimer Rat und Vorstand des Geheimen Kabinetts in Karlsruhe, 
20. März 1895.
	        
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