Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 255
der um dieselbe Zeit seine Audienz hatte. In Starnberg fanden wir eine
offene Kalesche vom Hof, welche uns nach Berg brachte. Herr von
Schmertzing war sehr erstaunt über das ländliche Aussehen des königlichen
Etablissements. Die ganze Hofhaltung ist fast bürgerlich. Die Gänge
wimmeln immer von Spülweibern und Mägden, die allerlei Gefäße tragen.
Sauer!) empfing uns an der Treppe. Während der reußische Gesandte
beim König war, ging ich zu Ministerialrat Lutz, um ihn über das Mini-
sterium zu fragen. Die Entlassung von Pechmann scheint in den Hinter-
grund getreten zu sein. Was den Justizminister betrifft, so zeigte er eine
lange Liste aller nur irgend denkbaren Kandidaten, die er mit dem König
besprochen hat. Die Hauptkandidaten sind Neumayr, Steyrer, Seuffert
und Metz. Neumayr und Metz sind mir unangenehm, weil sie zu der
Koterie der Ministermacher gehören. Steyrer ist schwerfällig. Seuffert
ist auch nicht geeignet. Die Abgeordneten, die darauf verzeichnet waren,
wie Hohenadel, Streit, Stenglein u. s. w. sind auch keine passenden Leute;
ich bleibe bei der Ansicht, daß Lutz der einzige ist, der mir paßt. Er ist
ein gescheiter, energischer Mann. In den politischen Ansichten stimmt er
mit mir überein, und im Ministerrat werde ich an ihm eine Stütze haben.
Ich sagte daher Lutz, daß ich den Antrag, der ihn vorschlägt, dem König
geben würde.
Bald darauf wurde ich zur Audienz gerufen. Der König war sehr
liebenswürdig. Er teilte mir sofort mit, daß die Königin von Griechen-
land die Masern habe, ich also nicht nach Bamberg zu gehen brauche.
Dann kamen wir auf die griechische Frage2) zu sprechen, wobei ich ihm
Tauffkirchens Vorschlag mitteilte, wonach die Sache in Petersburg be-
sprochen werden solle, womit er einverstanden war. Er legt keinen Wert
auf die ganze Sache und will sie fallen lassen.
Ich erzählte ihm nun, daß Napoleon wegen der mexikanischen Kata-
strophe nach Salzburg komme, las ihm einen Brief von Dönniges vor,
der über die deutschen Sympathien des Kaisers Napoleon spricht, kam
dann auf Hegnenberg, mit dessen Ernennung nach Berlin der König
einverstanden ist, 3) auf die Reise Holnsteins nach Dessau und anderes. End-
lich zog ich meinen Antrag bezüglich des Justizministers vor, worin ich
Lutz in Vorschlag bringe. Ich fragte, ob ich ihm denselben direkt geben
dürfe, da es sich wohl nicht passe, ihn durch Lutz selbst geben zu lassen.
Er war damit einverstanden, sagte aber, er könne Lutz nicht entbehren.
1) Flügeladjutant von Sauer.
2) Finanzielle Forderungen des Königs Ludwig I. an die griechische Regie-
rung aus der Zeit der bayrischen Herrschaft.
:) Graf Hegnenberg-Dux lehnte den Berliner Posten ab, worauf Freiherr von
Perglas, bis dahin in Paris, nach Berlin ernannt wurde.