Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 257
Alle diese Gründe haben den treugehorsamst Unterzeichneten veranlaßt,
eine entsprechende Persönlichkeit zu suchen, welche er Eurer Königlichen
Majestät zur Wiederbesetzung des Postens in Vorschlag bringen könnte.
Es ist nicht zu leugnen, daß die Wahl eine sehr schwere ist. Denn wenn
auch vor allem von dem zu ernennenden Justizminister verlangt werden
muß, daß er ein tüchtiger Jurist und Geschäftsmann und als solcher nicht
bloß seinen näheren Amtsgenossen, sondern in weiteren Kreisen anerkannt
sei, so glaubt doch der treugehorsamst Unterzeichnete, daß diese Eigenschaften
allein nicht genügen dürften.
Das bayrische Justizwesen und die Justizverwaltung selbst bedürfen
einer durchgreifenden und gründlichen Reform. Nur ein Mann von
wahrer Energie, der streng zu sein versteht, ohne tyrannisch zu werden,
wird die schwere Aufgabe lösen können, aber auch nur ein Mann, welcher
im bureaukratischen Leben nicht den Blick für die Fehler und Mängel
seines Berufsstands verloren hat und welcher die Bedürfnisse der Gegen-
wart hinsichtlich einer volkstümlichen, vom hergebrachten Schlendrian be-
freiten, Justizverwaltung erkennt.
Dies alles aber würde nach der Ansicht des treugehorsamst Unter-
zeichneten nicht ausreichen, wenn der neue Justizminister nicht zugleich
eine Persönlichkeit ist, welcher die Vertretung des Landes mit Vertrauen
entgegenkommt und welche die Unterstützung derselben zu finden hoffen
darf, um die unumgänglich nötigen pekuniären und disziplinären Maß-
regeln bei der Kammer durchzusetzen.
Endlich erfordert es wohl die allgemeine politische Lage, daß in dieser
Hinsicht Uebereinstimmung des in das Ministerium eintretenden Mannes
mit den übrigen Ministern stattfinde, und ist es daher schon aus diesen
Rücksichten untunlich, eine Persönlichkeit aus einer jener Parteien zu
wählen, welche nach der einen oder andern Seite hin die extremen An-
sichten vertreten.
Faßt nun der treugehorsamst Unterzeichnete zusammen, was nach
seiner innersten Ueberzeugung von dem zu ernennenden Justizminister ge-
fordert werden muß, und prüft er die möglicherweise in Betracht zu ziehen-
den höheren Justizbeamten, so muß er nach reiflicher Ueberlegung als den
würdigsten Kandidaten den Ministerialrat Lutz bezeichnen. Da Eure
Königliche Majestät denselben seit Jahren kennen, wird der treugehorsamst
Unterzeichnete sich kurz zu fassen haben und kann wohl darüber, daß in
ihm ein Minister gefunden wäre, welchem die Wahrung der Selbständig-
keit Bayerns am Herzen liegt, ebenso hinweggehen als darüber, daß der-
selbe die nötige Energie und Willensstärke besitzt, im Justizwesen die ge-
botenen Reformen durchzuführen. Was aber die spezielle Befähigung im
Justizdienste betrifft, so hat sich Herr von Lutz durch seinen hervorragenden
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten 1 17