Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus der Jugend (1819 bis 1847) 17 
wäre ich untergegangen. Allein mir scheint, ohne daß ich den Verhält- 
nissen zürnen will, daß ich besser geworden wäre. Einer von Natur 
ruhigen, träumerischen, tatschwachen Seele ist die Aufregung des Selbst- 
handelns, des nicht bloßen Geschehenlassens durchaus notwendig, wenn sie 
wirklich zu etwas gelangen will. Ich bin von Natur passiv, durch diese 
ewige Bevormundung zu einer großen Ausbildung innerer Beschaulichkeit, 
die ich nicht einmal Philosophie nennen kann, gelangt, ohne daß mein 
Charakter die geringste Festigkeit erlangt hätte. Diesen zu erhärten muß 
jetzt mein Streben sein.“ 
An die Prinzessin Amalie. 
Koblenz, 3. Mai 1812. 
.. Du hBhast recht, wenn Du glaubst, daß ich nie unglücklich sein 
werde, was man so eigentlich unglücklich sein nennt. Denn es wird immer 
das Begreifen des Unglücks und die Fähigkeit, darüber nachzudenken, mich 
schützen, daß es mich nicht ganz erdrücke. „Nur der Mensch ist wirklich 
unglücklich, der nicht die Fähigkeit besitzt, darüber zu weinen,“ werde ich 
einmal in einem Roman sagen. Dabei fällt mir ein Gedicht ein, das 
ich neulich gemacht habe und welches hierher paßt. Es sind sogenannte 
Gaselen: 
Wolken auf am Himmel steigen, 
Blüten welken an den Zweigen, 
Und die Wellen fließen langsam, 
Und es senkt sich banges Schweigen 
Auf die dürstenden Gefilde. 
Ach, wie die Gewitterzeichen 
In den schwülen Sommertagen 
Jenen Lebensstunden gleichen, 
Da das Herz, alt und verhärtet, 
Tränen wünscht, um zu erweichen! 
Du hast recht, wenn Du mich um den schönen Aufenthalt beneidest. 
Seit fast drei Wochen haben wir hier so warmes Wetter, daß alles nach Regen 
seufzt. Die Blüten sind bald vorüber, und die Wälder fangen nun an zu 
grünen. Ach, es ist doch eine schöne Sache um den silbernen Mondschein, 
der sich im Rhein spiegelt, und die dunkeln Berge und den ehrwürdigen 
Ehrenbreitstein mir gegenüber. Hätte ich diese schöne Natur nicht, so 
wäre ich bei all meiner Philosophie doch unglücklich. Denn die Menschen 
sind hier keine Oreaden und Hamadryaden. Ich habe recht liebe, gute 
Leute kennen gelernt und mag manche recht gern leiden. Aber es fehlt 
ihnen jener feine Ton der Vornehmheit, das Sich-von-selbst-verstehen 
vieler Dinge, Du wirst es fühlen, was ich damit sagen will. Man kann 
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. 1 2
	        
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