Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 269
und daß man die einfachste Lösung der deutschen Frage in dem Eintritt
Süddeutschlands in den Norddeutschen Bund erblickt.
Meine Herren! Wenn es die Staatsregierung schon damals, als
nur der Entwurf der norddeutschen Bundesverfassung bekannt war, mit
ihrer Pflicht nicht vereinbar hielt, den bedingungslosen Eintritt in den
Norddeutschen Bund, das heißt den Eintritt ohne vorherige Abänderung
der Bundesverfassung anzustreben, so muß sie um so mehr jetzt, wo diese
Verfassung abgeschlossen ist und eine Umgestaltung derselben nicht in
Aussicht steht, auf ihrem Standpunkt beharren.
Gründe der äußeren und inneren Politik haben Preußen veranlaßt,
die norddeutschen Staaten mit einer Verfassungsform zu umschließen, der
man das Verdienst nicht absprechen kann, die staatliche Einheit des Nordens
von Deutschland anzubahnen, die sich aber eben deshalb in ihrer Entwick-
lung von dem Charakter einer Bundesverfassung im eigentlichen Sinne
des Wortes mehr und mehr entfernen dürfte.
Wohl habe ich es anerkannt, daß kein Bundesverhältnis dem nationalen
Bedürfnisse genügt, wenn nicht von den einzelnen Kontrahenten die ent-
sprechenden Opfer zum Gedeihen des Ganzen gebracht werden; allein das
Maß der Opfer, welches der Eintritt in den Norddeutschen Bund den
süddeutschen Staaten auflegen würde, entspricht nicht dem Grade der
Selbständigkeit, welchen diese Staaten sich zu erhalten berechtigt und,
wie ich annehmen darf, ihrer überwiegenden Mehrheit nach auch ent-
schlossen sind.
Die freie konstitutionelle Entwicklung Süddeutschlands, wie sie sich
seit fünfzig Jahren gestaltet hat, gibt dem süddeutschen Volk zu diesem
Entschluß das Recht und die Kraft.
Es kann hierbei füglich unerörtert bleiben, inwieweit die Nikolsburger
Präliminarien und der Prager Frieden einen berechtigten Grund abgeben
würden, der Ausdehnung der norddeutschen Bundesverfassung auf das
gesamte Deutschland entgegenzutreten. Jene Verträge sind indessen unter
Berücksichtigung realer Machtverhältnisse abgeschlossen, deren Bedeutung
derjenige nicht verkennen darf, der dazu berufen ist, mit gegebenen Tat-
sachen zu rechnen, und der verpflichtet ist, alles zu vermeiden, was die
Entwicklung der Geschicke unsers Vaterlandes in unberechenbar gewaltsame
Bahnen leiten könnte.
Die preußische Regierung hat zudem selbst erklärt, sie verlange die
Verbindung mit dem Süden keineswegs auf derselben Grundlage wie
jene, auf welcher der Bund mit den norddeutschen Staaten beruht; es
bedürfe nur eines unzweideutigen Ausdrucks der nationalen Gemeinschaft,
welcher gleichzeitig die Gewißheit gebe, daß die süddeutschen Staaten nicht
einer feindseligen Tendenz gegen Norddeutschland verfallen, und daß die