Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

270 Das bayrische Ministerium (I867 bis 1870) 
Pflege der gemeinsamen materiellen Interessen des deutschen Volkes durch 
gemeinsame organische Einrichtungen sichergestellt werde. 
Wenn demnach Gründe der äußeren Politik sowohl als Rücksichten 
auf die Erhaltung der Selbständigkeit des Landes die Verbindung Bayerns 
mit dem deutschen Norden auf der Grundlage der norddeutschen Bundes- 
verfassung nicht möglich erscheinen ließen, so mußte die Staatsregierung 
einen andern Weg suchen, um diese Verbindung zu bewirken. Denn die 
Staatsregierung konnte und wollte sich der Aufgabe nicht entziehen, welche 
von mir am 23. Januar mit den Worten bezeichnet wurde: 
„Durch vertragsmäßige Vereinbarung einen Zusammenschluß 
Deutschlands zu ermöglichen auf Grundlagen, die mit der In— 
tegrität des Staates und der Krone vereinbar sind.“ 
Es ließen sich hier drei verschiedene Wege denken. 
Einmal: die Bildung zweier Bundesstaaten, eines süddeutschen 
gegenüber dem norddeutschen, mit gemeinsamen Organen für einzelne be- 
stimmte Zwecke, 
zweitens: ein internationaler Bund aller ein zelnen deutschen Staaten, 
analog der früheren deutschen Bundesverfassung, 
und drittens: ein internationaler Bund der süddeutschen Staaten 
mit dem Norddeutschen Bunde. " 
Gegen den Versuch einer organischen Verbindung eines für sich be- 
stehenden süddeutschen Bundesstaates mit dem nördlichen Deutschland sprach 
die Abneigung derjenigen Staaten, mit welchen Bayern diesen süddeutschen 
Bundesstaat gründen müßte. Es sprach dagegen die Schwerfälligkeit eines 
Organismus, in welchem der Keim des Unfriedens gelegen hätte, und 
endlich die Gefahr der Weiterausbildung des Gegensatzes zwischen dem 
Norden und dem Süden von Deutschland. 
Die internationale Verbindung sämtlicher deutscher Staaten auf 
Grund eines völkerrechtlichen Vertrags war durch die Auflösung des 
früheren Deutschen Bundes und durch den eben erst ins Leben getretenen 
norddeutschen Bundesstaat unmöglich geworden. Es konnte Preußen nicht 
zugemutet werden, die norddeutsche Bundesverfassung, die Frucht seiner 
Siege, wieder aufzugeben. 
Es blieb also der Staatsregierung kein andrer Weg, als auf die 
Wiedervereinigung Deutschlands hinzuarbeiten unter Anerkennung der 
bestehenden Tatsachen. 
Diese Tatsachen lagen vor: in dem Austritt Oesterreichs aus dem 
Bunde, in dem festgeschlossenen norddeutschen Bundesstaate und in den 
auf sich selbst angewiesenen süddeutschen Staaten. 
Der Weg einer internationalen Verbindung der letzteren mit dem 
Norddeutschen Bunde war also vorgezeichnet.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.