276 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
Dem Wunsch Thüngens auf Verlängerung der Ratifikationsfrist bis
nach neuen Wahlen in Bayern, glaubte Bismarck auch nicht entsprechen
zu können, versicherte aber, daß er auch dann, wenn wir verhindert wären,
die Ratifikationsfrist einzuhalten, dieselben Bedingungen gewähren wolle,
die er im Juni geboten habe. Er sprach offen und nicht nach der Art
der Pferdehändler.
Wir entfernten uns nun, nachdem uns Bismarck auf 5 Uhr zum
Diner geladen hatte.
Hier fanden wir Delbrück und Keudell nebst einigen Mitgliedern der
Familie. Delbrück bestätigte das, was Bismarck gesagt hatte, bedauerte,
wenn ich aus dem Ministerium ausscheiden müsse, versicherte aber, daß
man keine Konzessionen machen könne.
Herr von Keudell war vollkommen unterrichtet über die Stimmung
in Bayern.
Ich fragte noch Bismarck, ob er bezüglich der Festung Ulm irgend-
einen Druck auf die württembergische Regierung ausgeübt habe, was er
entschieden verneinte. Es sei Preußen im Gegenteil sehr angenehm, wenn
Bayern mehr Einfluß in Ulm erlange. Sollte Württemberg von Preußen
einen Beitrag zur Unterhaltung von Ulm verlangen, so würden sie diesen
gewähren und gar keine Rechte in Ulm beanspruchen während des Friedens;
doch müßten sie dann nur verlangen, daß man als Gegenleistung Ludwigs-
hafen befestige, was der strategisch wichtigste Punkt sei. Rastatt habe
wenig Bedeutung und sei nur für Baden wichtig. Ludwigshafen und
Germersheim seien die eigentlichen wichtigen Festungen für eine Aktion
gegen Frankreich.
Von Oesterreich hätten wir nichts zu befürchten. Oesterreich habe
gar kein Bündnis mit Frankreich, da sonst sofort ein Bündnis mit Ruß-
land in Aussicht stehe, und auch England nicht zusehen könne, wenn
Frankreich die Ostseehäfen blockiere.
Das Verhältnis zu Oesterreich werde sich nach und nach bessern.
Eine Verbindung Oesterreichs, der süddeutschen Staaten und Preußens
bezeichnete er als „couronnement de Teeuvyre“.
Am andern Morgen, dem 28., Audienz beim König. Er forderte uns auf,
zu reden. Baron Thüngen setzte seine Ansichten und die der Kammer der
Reichsräte auseinander. Der König antwortete sehr eingehend, aber sehr
bestimmt, daß er sich auf keine Modifikation des Vertrags einlassen könne,
der eine Abänderung der Bundesverfassung voraussetze. Glaubten wir
nicht beitreten zu können, so sollten wir austreten. Doch glaube er nicht,
daß die Majorität des Landes auf seiten der Reichsräte sei.
Dann sprach er länger über die preußische Politik im allgemeinen.
Preußen sei zu den Annexionen gegen seinen Willen gedrängt worden.