Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

280 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
treten des neuen Zollvereins mit seinen Folgen abwarten zu sollen, ehe 
weitere Unterhandlungen über eine Verbindung mit dem Norddeutschen 
Bunde begonnen werden könnten. 
Der treugehorsamst Unterzeichnete unterließ es daher auch, die pro- 
jektierte Ministerialerklärung zwischen Bayern und Baden zum Abschlusse 
zu bringen und hat mit Genehmigung Eurer Königlichen Majestät am 
5. August l. J. eine Depesche an den Königlichen Gesandten in Karlsruhe 
abgesendet, in welcher der Wunsch der Königlichen Regierung ausgesprochen 
wurde, die Unterhandlungen vorläufig beruhen zu lassen. 
Aus einer dem treugehorsamst Unterzeichneten vor kurzer Zeit durch 
den Königlich württembergischen Gesandten vorgelesenen Depesche des 
Ministers von Varnbüler ergibt sich, daß auch die Königlich württem- 
bergische Regierung weitere Schritte zurzeit unterlassen will, welche eine 
Verbindung mit dem Norden Deutschlands zum Zwecke hätten. 1) 
So ist nun diese Unterhandlung vorläufig als beruhend anzusehen. 
Allein der treugehorsamst Unterzeichnete kann sich nicht verhehlen, daß mit 
diesem rein negativen Verhalten den Interessen Bayerns nicht gedient wäre; 
die Zustände, wie sie zurzeit liegen, sind so unfertig, die Strömung der 
öffentlichen Meinung ist so gewaltig, daß, wenn die Regierung die Initiative 
aus der Hand gibt, andre Elemente über sie hinweg Ereignisse hervor- 
rufen können, welche die Selbständigkeit Bayerns bedrohen würden. Der 
Zustand der Zerrissenheit Deutschlands, wie er gegenwärtig besteht, scheint 
der überwiegenden Mehrzahl der Bevölkerung so unerträglich, daß sie sich 
immer von neuem bemühen wird, eine Aenderung zu veranlassen, und 
bietet man nicht eine annehmbare Form der Einigung, so gewinnt, das 
ist vorauszusehen, nach und nach der Gedanke des unbedingten Eintritts 
in den Norddeutschen Bund immer mehr Anhänger. Dies ist insbesondere 
bei Baden und Hessen der Fall, deren Verhalten stets zweifelhaft bleibt 
und das ruhige Abwarten fast zur Unmöglichkeit macht. 
Es ist aber in jüngster Zeit ein neues Element in diese schwierige 
politische Frage eingetreten. Dem treugehorsamst Unterzeichneten sind 
Andeutungen geworden, daß eine abwartende Stellung der süddeutschen 
Staaten auch den Regierungen von Oesterreich und Frankreich Besorgnisse 
einflößt, und daß dort die Bestimmungen des Prager Friedens erst dann 
  
1) Am 11.Dezember 1867 erklärte der Freiherr von Varnbüler bei der Beratung 
des Budgets des Auswärtigen in der Zweiten Kammer, es sei entschiedene Ansicht 
der Regierung, daß, nachdem sie die beiden Verträge mit Preußen abgeschlossen und 
damit ihre nationale Pflicht erfüllt habe, kein Grund sei, über diese Grenzlinie 
hinauszugehen. Schon am 7. November hatte der württembergische Geschäftsträger 
eine Note des Freiherrn von Varnbüler von gleichem Inhalt dem badischen Minister 
von Freydorf mitgeteilt.
	        
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