Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 289 
Unterzeichnete Eurer Königlichen Majestät sechs Gesetzentwürfe 1) vorzulegen, 
durch welche nach seiner Ueberzeugung ohne Gefährdung der wahrhaft 
konservativen Grundlagen der Verfassung die Institution der Ersten 
Kammer den steten Anfechtungen entzogen würde und gegen die berech- 
tigten Bemängelungen, welche dieselbe in jüngster Zeit mehrfach gefunden, 
Abhilfe geschaffen wäre. 
Die sechs Gesetzentwürfe stehen in innigem Zusammenhange. Der 
Entwurf über Abänderung des Fideikommißedikts schafft dem 
bürgerlichen großen Grundbesitze die Möglichkeit, in die erbliche Pairie 
einzutreten; er beseitigt sonach die Ausschließlichkeit dieses Privilegiums, 
ohne dessen konservativen Charakter zu zerstören. 
Der Entwurf über Abänderung des Titels VI § 3 der Ver- 
fassungsurkunde ruft hingegen eine Anzahl alter adliger, mit großem 
Grundbesitz versehener Familien in den Reichsrat, welche bisher, offenbar 
ohne inneren Grund, dadurch von demselben ausgeschlossen waren, daß sie in 
ihrem Familieneigentum den uralten, echt germanischen Grundsatz des Ge- 
meinguts aufrechterhalten haben. Der treugehorsamst Unterzeichnete ist 
der Meinung, daß in einer Ersten Kammer des Königreichs Bayern 
Familien wie die Crailsheim, Egloffstein, Seckendorff, Thüngen, Tacher u. s. w. 
nicht unvertreten sein sollten 
Ebenso führt der Entwurf über die Stellvertretung der erb- 
lichen Reichsräte dazu, daß die von der Verfassung in die Erste Kammer 
berufenen Familien mehr, als jetzt infolge häufiger und schwer zu ver- 
meidender Hindernisse der Fall ist, wirklich zur Ausübung ihrer Stand- 
schaft gelangen.2) 
Dieser Vermehrung des erblichen Elements gegenüber schien es 
erforderlich, auch dem königlichen Ernennungsrechte eine weitere Aus- 
dehnung zu vindizieren, und diesem Zwecke entspricht der Entwurf 
eines Gesetzes, welches die in § 4 Titel VI der Verfassungsurkunde nor- 
mierte Zahl von ½ auf ½ erhöhen soll. 
Was endlich den Entwurf über Erweiterung der Reichs- 
ratskammer speziell betrifft, so erlaubt sich zu dessen Begründung der 
treugehorsamst Unterzeichnete im allgemeinen auf die Motive desselben 
allerehrfurchtsvollst sich zu beziehen. Er glaubt bei dem Versuche einer 
Reform des Instituts sich auf das Notwendigste beschränken zu sollen, 
und insbesondere eine vollständige Neugestaltung der Verfassungsbestim- 
mungen über die Erste Kammer nicht vorschlagen zu sollen, da eine solche 
1) Die sechs Gesetzentwürfe waren eine Arbeit des Freiherrn von Völdern- 
dorff. Siehe dessen Schrift: „Vom Reichskanzler Fürsten von Hohenlohe“, S. 22. 
) Der Gesetzentwurf wollte den erblichen Mitgliedern die Befugnis einräumen, 
sich für die Dauer der Session durch ein Familienmitglied vertreten zu lassen. 
Fürst Hohenlohe, Dentwurdigkeiten. i 19 
 
	        
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