Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 291
wo eine solche Erstgeburtsbevorzugung nicht stattfindet, dem Familien-
grundbesitz eine politische Bedeutung nicht beigelegt wissen.
Es läßt sich nun anführen, daß das Fideikommißinstitut in der zur-
zeit geltenden beschränkten Sukzessionsweise besteht, und man kann mit
guten Gründen der Ansicht sein, daß, wenn einmal das Vermögen zu-
gunsten der Familie gebunden werden dürfe, den Nutzgenuß auch allen
Familiengenossen zusammen zu gönnen, billiger und natürlicher sei als die
Bevorzugung der zufällig Erstgeborenen. Allein die Regierung wollte nicht
eine so tiefgreifende und immerhin erheblichen Bedenken unterliegende Neue-
rung vorschlagen, glaubte vielmehr das Fideikommiß als solches einfach,
wie es einmal in Bayern hergebracht, bestehen lassen zu müssen. Da-
gegen ist es so ungerechtfertigt, den Familienbesitz, welcher auf dem alten
echt deutschen Grunde des gemeinsamen Nutzgenusses aller Familienglieder
beruht, in seiner politischen Bedeutung dem auf Erstgeburtsrecht Stehenden
gegenüber zurückzusetzen, daß hierin eine Aenderung angezeigt scheint. Die
Frage der Teilbarkeit des Nutzgenusses und der Verwaltung ist lediglich
eine innere Angelegenheit der Familie und kann die Bedeutung des Grund-
besitzes als solchen nicht ändern oder mindern.
Nun ist die Zahl an Gütern der bezeichneten Art in den fränkischen
Provinzen nicht unbedeutend, ja, es ist eigentlich der größere Teil des
Familiengrundbesitzes in Bayern infolge jener Bestimmungen bisher in
der Reichsratskammer unvertreten geblieben. Eine Aenderung hierin muß
daher als ebenso billig wie zweckmäßig erachtet werden.
3. Gesetzentwurf, die lebenslänglichen Reichsräte betreffend.
Unter den Mängeln, welche sich zurzeit in betreff der Zusammen-
setzung der Kammer der Reichsräte ganz besonders fühlbar machen, wird
ohne Zweifel der Umstand hervorzuheben sein, daß in derselben zu wenig
eigentlich juristisch, administrativ, finanziell und militärisch gebildete Mit-
glieder zu finden sind und eben deshalb die Uebertragung der Referate
in solchen Fragen auf große Schwierigkeiten stößt.
So politisch richtig nun auch der in der Verfassungsurkunde für die
Zusammensetzung der Reichsratskammer aufgestellte Grundsatz ist, daß das
Ernennungsrecht des Königs in einem gewissen Verhältnisse zu den übrigen
Kategorien stehen muß, und so wenig es sich anempfehlen möchte, durch die
Statuierung eines unbegrenzten sogenannten Pairsschubs den Charakter
der Unabhängigkeit der Ersten Kammer zugunsten der einem raschen Wechsel
unterworfenen jeweiligen politischen Zeitströmung aufzugeben, so erscheint
doch anderseits die Zahl, die in der Verfassungsurkunde für das Er-
nennungsrecht des Königs vorgeschrieben ist, als eine zu eng bemessene,
und es wird dies noch in höherem Grade der Fall sein, wenn die Kammer
etwa noch durch gewählte Mitglieder verstärkt werden sollte. Alle diese