Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 293
eine Abänderung im Wahlmodus durch Beschränkung auf die höheren
Steuerklassen allein nicht für genügend und auch nicht für zweckmäßig
ansehen zu können, da hierdurch die Erste Kammer als lediglich auf dem
Vorzug des Geldes ruhend in der allgemeinen Volksanschauung schwerlich
zu einem gesteigerten Ansehen gelangen würde.
Hiernach ergibt sich von selbst die vorgeschlagene Wahl nach Standes-
klassen, und zwar müßten hierbei nicht die früheren, historisch gewordenen,
sondern die in dem modernen Staatsleben ausgebildeten Kategorien der
Bevölkerung in das Auge gefaßt werden. Was hier speziell die Geist-
lichkeit betrifft, so ist dieselbe bisher schon in entsprechender Weise in der
Kammer der Reichsräte vertreten und konnte daher bei der Aufstellung
übergangen werden.
Rede des Fürsten in der Kammer der Abgeordneten bei Be-
ratung des Gesetzes über die Wehrverfassung am 13. Dezember
1867.
Bei der gestrigen und heutigen Debatte ist auch das Gebiet der aus-
wärtigen Politik betreten worden. Ich will es indessen unterlassen, auf manche
Behauptung, welche aufgestellt wurde, auf manche bittere Bemerkung, die
gefallen ist, näher einzugehen; ich würde sonst in die Notwendigkeit ver-
setzt sein, die Grundsätze Ihnen nochmals vorzuführen, die ich für die
bayrische Politik festhalten zu müssen geglaubt habe, und ich würde fürchten,
Sie durch die Wiederholung derselben zu ermüden. Zudem sind gerade
jene Behauptungen auf Befürchtungen von eintretenden, kommenden Er-
eignissen gegründet, an denen eine Partei mit einer gewissen Vorliebe fest-
zuhalten pflegt. Ich beschränke mich deshalb für heute auf einige all-
gemeine Bemerkungen. Darin werden Sie, meine Herren, mit mir über-
einstimmen, daß unfre Zeit eine gesteigerte Anstrengung in militärischen
Dingen, eine möglichste Erhöhung unfrer Wehrkraft unabweisbar fordert.
Wir leben in einer Zeit des Uebergangs. Alte Allianzen sind zerrissen
und neue sind in der Bildung begriffen, die Leiden Europas haben, wenn
ich so sagen darf, einen akuten Charakter angenommen, und die fieberhafte
Erregung läßt auf den baldigen Eintritt großer Erschütterungen schließen.
Welcher Art die Entwicklung dieser Krisen sein wird, vermag niemand zu
sagen, allein darüber wird kein Zweifel bestehen, daß auch wir davon
nicht unberührt bleiben können. Wir werden Opfer zu bringen haben,
aber diese Opfer werden nur dann das Maß des Erträglichen nicht über-
steigen, wenn wir zu rechter Zeit Sorge tragen, den kommenden Gefahren
gerüstet, und ausreichend gerüstet, entgegenzugehen. Die Entwicklung Eu-
ropas und Deutschlands mag sich wie immer gestalten, Bayern muß durch
ausreichende Entfaltung der ihm innewohnenden Kraft diejenige Achtung