294 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
erwerben, deren es bedarf, und als Teil des großen Ganzen jene Stellung
einnehmen, die seiner allein würdig ist. Daß zu diesem Zwecke unsre
gegenwärtige Wehrverfassung nicht ausreicht, ist gestern und heute in
beredten Worten dargelegt worden; daß aber auch eine bloße Reform
unsrer Wehrverfassung unter Belassung der Prinzipien nicht ausreicht,
ist gleichfalls außer Zweifel. Ebensowenig endlich würde ein dem
schweizerischen nachgebildetes Wehrsystem dem Zwecke genügen. Es blieb
also der Staatsregierung kein andres Mittel, als zu der Wehrverfassung
zu greifen, welche den Erfolg für sich hat und welche uns die Gewißheit
gibt, eine schlagfertige Armee zu schaffen, und welche namentlich den Vor-
teil hat, durch gleiche Formation und gleiche Bildung ein zu gemeinsamer
Aktion mit unserm Alliierten taugliches und dem seinigen ebenbürtiges Heer
herzustellen. Durch die Einführung dieser Heeresverfassung werden wir
der Armee dasjenige Vertrauen in die eigne Kraft und die eigne Tüchtigkeit
verschaffen, ohne welches die Erreichung kriegerischer Erfolge nicht zu
denken ist; wir werden mit diesem Wehrsystem uns dem gesamten Deutsch-
land näher und inniger anschließen, wir werden aber zugleich auch damit
diejenige Selbständigkeit wahren und erhalten, welche Bayern unbeschadet
der durch das Schutz= und Trutzbündnis eingegangenen Verpflichtung er-
halten kann und soll, indem wir der etwa drohenden Gewalt das mit der
nötigen Macht unterstützte Recht entgegenstellen. Ich empfehle Ihnen
daher den Gesetzentwurf zur Annahme.
Journal.
München, 19. Februar 1868.
Das Resultat der Wahlen 1) hat die ultramontane Partei übermütig
gemacht, und sie glauben nun, es sei nötig, daß auch die Regierung sofort
zu ihr übergehen müsse. Das kopflose und unstete Wesen des Kabinetts-
sekretärs Lipowsky bietet ihr dazu die Möglichkeit. Dieser Mann, der es
mit allen Parteien halten will und darin die wahre Staatsweisheit er-
blickt, hört viel und verdaut wenig, intrigiert aber desto mehr. Der
Artikel der „Süddeutschen Presse“, der der ultramontanen Partei entgegen-
tritt, hat seine Indignation erregt, die er auch Fröbel ausgesprochen hat.
Trotzdem glaube ich nicht, daß der König ihm, wie er sagt, zu dieser
Aeußerung Veranlassung gegeben hat. Die ultramontane Partei freilich
ist über Fröbels Artikel indigniert, und zwar deshalb, weil er ihre Pläne
durchkreuzt, die darauf abzielen, die Regierung von der Fortschrittspartei
zu trennen, sie ganz in das ultramontane Lager herüberzuziehen. Es geht
das Gerücht, man wolle Schrenck an die Stelle von Schlör bringen. Trautt-
1) Zum Zollparlament, die am 10. Februar stattgefunden hatten.