Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus der Jugend (1819 bis 1847) 23 
Bevormundung ganz abgeschüttelt habe. Ob ich in dieser Karriere bleibe 
in der Zeit, wenn die Bildung vorüber ist und das Arbeiten des Berufs 
angeht, weiß ich nicht. Mehr Nutzen würde es für mich gewähren, wenn 
ich dann in friedlicher Zurückgezogenheit, womöglich mit Dir zusammen, 
irgendwo leben könnte und meine Studien fortsetzen. Denn ich bin der 
Ansicht Wilhelm von Humboldts, daß das hauptsächlichste Streben des 
Menschen dahin gehen muß, sich als Individuum auszubilden und nach 
Vollkommenheit zu ringen, um durch das, was wir geworden sind, auf 
andre zu wirken und so Nutzen zu stiften. Das kann man aber besser 
allein und im stillen als in einem großstädtischen Kollegium. 
Die folgende Betrachtung des Tagebuchs ist wohl der Niederschlag 
unbequemer Erfahrungen in der Koblenzer Gesellschaft. 
30. Juli 1843. 
.. Fuür mich ist es gut, ja notwendig, überall Mißtrauen zu haben. 
Was gehen mich diese zufällig in mancher Beziehung mit mir harmonierenden 
Charaktere an! Ich muß vorsichtig sein, sonst gehe ich in Hingebung 
unter. Ueberall berechnen und beobachten mit dem äußern Schein der 
größten Gemütlichkeit und Freundschaft ist ein Ziel, das sich jeder Prinz 
setzen muß, wenn er nicht zu Torheiten geführt werden will, vor denen jeden 
andern jugendlich en Charakter die inferiore Stellung schützt. Also Vorsicht! 
O Unnatur der jetzigen Zeit, Verderbtheit unsers jetzigen Menschen- 
geschlechts, glänzendes Elend unfrer gesellschaftlichen Zustände, daß ein 
kräftiger Mann nur dadurch zum Ziele gelangen kann, daß er seine Kraft 
vergeudet, seine Sinne abstumpft, um auf diese Weise sich auf das Niveau 
seiner Umgebung stellen zu können, daß er schlecht wird, um den Schlechten 
nicht unbehaglich zu werden! 
Nachdem der Prinz am 17. August das Examen bestanden hatte, 
wurde er am 9. September 1843 zum Referendarius ernannt. In diesem 
Monate machte er eine längere Reise durch die Schweiz nach Südfrankreich 
und Oberitalien, von Lausanne ab mit dem Bruder Gustav, der dort 
französische Studien getrieben hatte. In Lyon erlebten die Brüder die 
Ankunft des Duc de Nemours zu einer Truppenrevue. Er kam zu Dampf- 
schiff. „Unter den 100 000 Zuschauern,“ sagt das Tagebuch, „erschallte 
auch nicht eine Stimme.“ Vom 10. bis 25. Oktober reiste der Prinz 
allein nach Sardinien und kehrte dann von Genua aus über den Splügen 
zurück. Den November verlebte er in Kupferzell und ging dann über 
Corvey und Berlin nach Rauden, wo er bis zum Jahresschluß verweilte. 
Hier blieb der Prinz auch die ersten Wochen des Jahres 1844 und kehrte 
nach einem Aufenthalt in Berlin vom 8. Februar bis 25. März dorthin 
zurück. Der April wurde zu einer Reise nach Wien verwendet.
	        
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