328 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
Der treugehorsamst Unterzeichnete würde also nicht wagen, nochmals auf
diesen Gegenstand zurückzukommen, wenn er nicht Grund hätte zu be-
fürchten, daß Eurer Königlichen Majestät von andrer Seite entgegen-
gesetzter Rat gegeben und die Ansicht ausgesprochen werden könnte, es
sei ein solcher Besuch nicht nötig oder ohne jede politische Bedeutung.
Der treugehorsamst Unterzeichnete glaubt im Gegenteil, daß die Unter-
lassung dieses Besuchs ohne allen Zweifel vom keaiserlich russischen Hofe
nicht nur als ein Zeichen der Gleichgültigkeit, sondern als eine direkte
Beleidigung angesehen werden würde. Träte infolgedessen in der kaiser-
lichen Familie eine Verstimmung ein, so würden bei kommenden Ereignissen,
in welchen Eurer Königlichen Majestät der Schutz oder die Fürsprache
des russischen Hofs erwünscht sein könnte, Allerhöchstdieselben statt des
Schutzes und der Fürsprache entschiedener Feindseligkeit begegnen. Nach
der Ansicht des treugehorsamst Unterzeichneten hat also ein wenn auch
kurzer Besuch in Kissingen, etwa nur mit kleinem Gefolge, vielleicht bei
Gelegenheit des Geburtsfests der Kaiserin, eine sehr große und weitgreifende
Bedeutung. Um nicht dem Verdachte Raum zu geben, der treugehorsamst
Unterzeichnete teile die Ansicht jener, welche dem Besuche Eurer Königlichen
Mojestät in Kissingen eine geringe Bedeutung beilegen, hält sich der treu-
gehorsamst Unterzeichnete verpflichtet, Eurer Königlichen Majestät seine
ehrfurchtsvollste Ansicht auszusprechen und in dem Bewußtsein treuester
Anhänglichkeit an Eure Königliche Majestät dringend zu raten, Allerhöchst-
dieselben wollen geruhen, der kaiserlich russischen Familie in Kissingen einen
Besuch abzustatten.
König Ludwig begab sich am 2. August in Begleitung des Prinzen
Otto nach Kissingen und verblieb daselbst in lebhaftem Verkehr mit dem
russischen Kaiserpaare bis zum 10. August.
Am 13. August ging Fürst Hohenlohe nach Kissingen.
Journal.
Starnberg, 28. September 1868.
Durch den königlichen Befehl war ich veranlaßt, mich hierher zu be-
geben, um als Minister des Hauses der Vermählung der Herzogin Sophie
mit dem Duc d'Alengon, Sohn des Herzogs von Nemours, anzuwohnen.
Zu Trauungszeugen waren der Prinz Adalbert und Minister Pfretzschner
bestimmt. Da letzterer vorzog, in Starnberg zu übernachten, so ent-
schloß ich mich, schon gestern Nachmittag ½3 Uhr hierherzufahren. Wir
kamen um 4 Uhr an, nahmen Besitz von unsern Zimmern im Gasthof
„am See“ und gingen dann spazieren, um 5 Uhr aßen wir zu Mittag
und gingen dann wieder Abends an das Seeufer in der Hoffnung, etwas
von den Beleuchtungen zu sehen, die angeblich zu Ehren der in Berg