Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 329 
weilenden Kaiserin von Rußland stattfinden sollten. Es wurde aber 9 Uhr, 
und da nichts kam, so zogen wir vor, uns nicht weiter zu langweilen, und 
legten uns bald zu Bett. Das Feuerwerk und die Beleuchtung soll sehr 
schön gewesen sein, war aber von hier aus wenig zu sehen. Es war 
Sonntag, und so hatte sich ein zahlreiches biertrinkendes Publikum vor 
unsern Fenstern etabliert, das schauderhaft lärmte und johlte. Mitunter 
sangen sie „volkstümliche Weisen“, die aber sofort in bestialisches Schreien 
ausarteten. Ich schlief aber doch bald ein, um so mehr, als ein heilsamer 
Regenguß die Bande vertrieb. Heute Morgen ging ich auf den Bahnhof, 
um die Kaiserin von Rußland abreisen zu sehen. Auch Tauffkirchen ) 
war da, um sich der Kaiserin zu präsentieren. Der König begleitete die 
Kaiserin und fuhr auch mit ihr auf der Eisenbahn gegen München mit, 
ich weiß nicht bis wohin. 
Um 10 Uhr fuhren wir in meinem Wagen, den ich gestern hatte 
hierherkommen lassen, nach Possenhofen. Es war noch nicht 11 Uhr, 
weshalb wir noch in unfre Zimmer geführt wurden. In dem meinigen 
roch es sehr schlecht. Bald kam die Zeit der Trauung, die in einem Saal 
des Schlosses, der zur Kapelle umgewandelt war, stattfand. Die Hochzeits- 
gäste versammelten sich in dem anstoßenden Salon, wo ein Klavier den 
engen Raum noch mehr beschränkte. Pfretzschner und ich beeilten uns, 
uns allen hohen Herrschaften vorstellen zu lassen. Außer der Familie des 
Herzogs Max waren da Prinz Adalbert und Prinz Karl. Letzterer be- 
grüßte mich nur von weitem mit einem Gesicht, wie man einen Skorpion 
anzusehen pflegt. Dann Graf und Gräfin Trani. Die Erbprinzessin 
Taxis trug ein violettes oder veilchenfarbenes Gewand mit weißem Besatz. 
Ferner waren da der Graf von Paris und sein Bruder Duc de Chartres, 
zwei junge wohlgebildete Prinzen, die aber eher den Eindruck preußischer 
als französischer Prinzen machen. Der Duc de Nemours sieht aus wie 
ein eleganter Franzose du cercle de ’union. Er trug den Hubertus, 
ebenso sein Sohn, der Bräutigam. Der Duc de Nemours erinnert an 
die Bilder Heinrichs IV., doch hat er einen eigentümlichen Ausdruck, der 
auf Pedanterie schließen läßt. Der junge Duc d'Alenqon ist ein hübscher 
junger Mensch von frischem Aussehen. Der Prince de Joinville und sein 
Sohn, der Duc de Penthievre, sehen nicht auffallend aus. Ersterer ist 
etwas alt und gebeugt, zu alt für sein Alter, liebenswürdig und höflich. 
Der Duc de Penthieèvre hat ein gelbes, etwas jüdisches Gesicht und spricht 
gedehnt, war aber mir gegenüber sehr freundlich und mitteilend. Herzog 
August von Koburg ist langweilig wie immer. Interessant war mir, seine 
Frau kennen zu lernen, die Prinzessin Klementine, eine gescheite, lebhafte 
  
1) Graf Tauffkirchen war damals bayrischer Gesandter in St. Petersburg.
	        
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