334 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
dann mit uns. Mit mir sprach er absichtlich sehr lange über die Kaiserin,
über politische Dinge, über die Intrigen, die gegen mich gemacht würden,
und daß er davon nichts wissen wolle, und war überhaupt auffallend
liebenswürdig. Der Cercle dauerte sehr lange, dann besah er sich die
Tiere, worauf die Preisverteilung stattfand, und schließlich das abscheuliche
Pferderennen, ein wahrer Skandal, der aber nicht abzustellen ist.
München, 6. Oktober 1868.
Heute Morgen war der Prediger der freien Gemeinde in Nürnberg,
ein gewisser Scholl, bei mir, um mir eine Eingabe seiner Gemeinde an
das Kultusministerium zu bringen. Sie beschwert sich darin, daß ihr
Prediger alle Handlungen vornehmen könne, die sich auf den Kultus be-
ziehen, nur nicht am Grabe reden, da er nicht das bayrische Indigenat
habe. Ich verstehe das nicht, daß man das bayrische Indigenat haben
muß, um eine Grabrede zu halten!
Der Mann sah recht germanisch aus, lange, ins Graue spielende Haare,
einen Schnurrbart und kleinen Zwickelbart, schwarz angezogen, ungeheuer
groß und schwärmerischen Aussehens. Die Deutschen bleiben Schwärmer
selbst im Unglauben. Er sagte nur, sie hätten kein Dogma, ihr Bekenntnis
sei das: Humanität zu verbreiten, sittliches Leben u. s. w. Nachdem er mir
seine Angelegenheiten expliziert hatte, fragte ich ihn nach der politischen
Richtung der Gemeinde. Er sagte, ein Teil sei großdeutsch-demokratisch,
der andre größere Teil nationalliberal, mit den Ultramontanen hätten erstere
kein Bündnis. Ihr Zusammengehen bei den Zollparlamentswahlen sei
lediglich ein zufälliges, vorübergehendes.
Nach ihm kam Oberbaurat Ritgen von Gießen, der mir vom germani-
schen Nationalmuseum sprach. Er erzählte, daß er an der Geschichte des
Wohnhauses arbeite, und machte nunmehr interessante historische Bemer-
kungen über die Entwicklung der menschlichen Wohnungen, deren Ursprung
in Hochasien sei und die sich alle in gleicher Weise entwickelt hätten.
Ursprünglich Zusammenleben mit dem Vieh, dann Trennung, und später
Trennung der Familienmitglieder durch Abteilungen der Räume. Er will
es publizieren.
München, 10. Oktober 1868.
Nachdem wir mit Württemberg im reinen waren, glaubte ich, daß
die Konferenz nun zu einem baldigen Abschluß kommen werde. Leider
aber erhielt General Beyer von Karlsruhe nicht die Ermächtigung zum
Unterzeichnen und entschloß sich deshalb, gestern Abend selbst nach Karlsruhe
zurückzufahren, um dort Instruktionen zu erholen für den hier zurück-
bleibenden Gesandten.