336 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
Abends wurde unterzeichnet, ich hielt eine Abschiedsrede, man dankte
mir für die vorzügliche Leitung der Verhandlungen, und alles ging um
9 Uhr auseinander.
Der „Vertrag, die Errichtung einer Festungskommission betreffend“,
vom 10. Oktober 1868 1) bestimmt, daß der Sitz der Kommission zwischen
München, Stuttgart und Karlsruhe jährlich wechseln soll und daß Bayern
„vorläufig zunächst auf drei Jahre“ den Vorsitz führt. Jeder Staat kann
mehrere Vertreter ernennen, die aber zusammen nur ein Votum abgeben.
Aufgabe der Kommission ist, die Verwaltung der drei Festungen Ulm,
Rastatt, Landau, ihre Verteidigungsfähigkeit nach militärischen und tech-
nischen Rücksichten, ihr strategisches Verhältnis zueinander sowie zu den
übrigen deutschen Festungen und Defensivanlagen zu überwachen, auch
den Bau, die Unterhaltung und die Vorsorge für die militärische Be-
nutzung strategisch wichtiger Eisenbahnen und Straßen zu erwägen. Sie
inspiziert die Festungen. Gegenüber den Regierungen ist die Kommission
eine „beratende und vorschlagende Behörde“. Die Regierung, welche ein
Votum der Kommission nicht berücksichtigt, ist verpflichtet, den übrigen
Regierungen ihre Gründe mitzuteilen. Artikel 7 des Vertrags bestimmt:
„Die drei Regierungen anerkennen die Notwendigkeit des Zusammenhangs
des Defensivsystems von Nord= und Süddeutschland und verpflichten sich,
die Prinzipien für die Wahrung dieses Zusammenhangs sowie für die
Verwaltung des bisherigen gesamten Bundesfestungsmaterials in der dem-
nächst einzuberufenden Liquidationskommission dementsprechend zu regeln.“
Artikel 8 bestätigt, daß die mit Preußen geschlossenen Allianzverträge durch
die Bildung der Kommission nicht berührt werden. Im Kriegsfalle wird die
Tätigkeit der Festungskommission suspendiert. Gleichzeitig mit dem „Ver-
trage“ wurden zwei „Protokolle“ gezeichnet. Das eine dieser Protokolle
bekundet die Verständigung der drei Regierungen über ihre bei den bevor-
stehenden Verhandlungen der Liquidationskommission einzunehmende Haltung.
Alle drei Regierungen erklären eine Verteilung des vormaligen beweglichen
Bundeseigentums, sei es in Natur oder durch Teilung des durch eine
Versteigerung erzielten Erlöses, für unzulässig. Bayern würde von sich
aus gegen eine Ablösung des in den einzelnen Festungen liegenden Ma-
terials durch die Territorialstaaten nichts einzuwenden haben. Da aber
Baden und Württemberg widersprechen, so wird verabredet, einen solchen
Antrag nicht zu stellen und eventuell dagegen zu stimmen. Baden erachtet
als das Erstrebenswerteste die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums
durch eine gesamtdeutsche Kommission unter dem Vorsitz Preußens. Da
aber Bayern dem widerspricht, „so verpflichten sich Württemberg und
1) Abgedruckt in Hirths Annalen des Deutschen Reichs 1872, S. 1579.