Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

342 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
sich sehr vorsichtig benehmen, um Frankreich und Oesterreich keinen Anlaß 
zum Krieg zu geben. 
Bei Gelegenheit einiger lobender Bemerkungen über Hompesch hob 
Usedom hervor, daß im Juni 1866 Bismarck darauf gedrungen habe, daß 
Italien an Bayern den Krieg erkläre. Er (Usedom) habe es aber ver- 
hindert. 
München, 6. Dezember 1868. 
Da Usedom Auskunft über die Frage der englisch-indischen Ueberland- 
post haben wollte, so ging ich heute zu ihm und gab ihm dieselbe nach 
Lage der Akten. Dabei kamen wir wieder in ein längeres Gespräch. Er 
zeigte mir einen Brief eines württembergischen Nationalliberalen, der 
darauf hinweist, daß die dortige nationalliberale Partei Gefahr laufe, 
beim Volk allen Boden zu verlieren, wenn man in Preußen im Innern 
eine reaktionäre Politik befolge. Ich bemerkte darauf, daß besonders die 
ungeschickte Rede des Justizministers Leonhardt) und die pietistische 
Richtung Mühlers hier Anstoß erregten, was er vollkommen zugab. Nur 
meinte er, daß der König sich schwer dazu entschließen würde, diese 
Männer zu entlassen. Der Kultusminister stehe unter dem Einfluß seiner 
frommen Frau, weshalb man das Kultusministerium „das Ministerium 
Adelheid“ nenne. Diese Frau sei sehr rührig und mische sich in alles. 
Dann kamen wir auf die ultramontane Partei zu sprechen, wobei wir 
darin vollkommen übereinstimmten, daß deren Intrigen eine große Gefahr 
für die ganze Entwicklung des menschlichen Geschlechtes seien und daß die 
meisten Menschen diese Gefahr zu leicht nehmen. Von Gustav und den 
gegen ihn gerichteten Intrigen sprach er mit vieler Sachkenntnis. 
Schon gestern hatte Usedom bemerkt, daß in Berlin eine große 
Konfusion in der Organisierung der Kompetenz der preußischen gegen- 
über den Behörden des Norddeutschen Bundes herrsche. Heute kam er 
darauf zurück. Der Norddeutsche Bund sei eigentlich „ridikül". Man 
könne keinem Preußen zumuten, im Norddeutschen Bund aufzugehen, in 
Deutschland ja, das sei etwas andres. Als ich ihm sagte, da liege wohl 
der alte Gedanke an den Kaiser von Deutschland noch vor, sagte er, ja, 
das sei besser und man könne damit den König von Preußen erhöhen, 
ohne daß die andern Souveräne tiefer gestellt zu werden brauchten. 
Eine etwas schwer zu beweisende Behauptung! Bei Gelegenheit, als wir 
  
1) Der Justizminister Leonhardt hatte am 30. November bei Vorlage des 
Entwurfs der neuen preußischen Hypothekengesetzen twürfe die Hoffnung ausgesprochen, 
daß dieses neue Recht in kurzem für ganz Deutschland Geltung gewinnen werde. 
Wenn das Gesetz sich bewähre, werde es für den Norddeutschen Bund angenommen 
werden, und zwischen diesem Momente und der Einführung in Süddeutschland 
werde ein nur nach Monaten zu berechnender Zeitraum liegen.
	        
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