346 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
Einfluß ausüben und die Stellung Bayerns zu der machen, auf welche
das Königreich durch seine Geschichte und die ihm innewohnende Kraft
Anspruch machen darf. Möchten Eure Königliche Majestät diesen Zeit-
punkt nicht unbenutzt vorübergehen lassen!
Der treugehorsamst Unterzeichnete würde eine Begegnung Eurer
Königlichen Majestät mit dem Großherzog von Baden als ein folgenreiches
Ereignis betrachten und könnte dasselbe nur mit Freuden begrüßen.
Nachdem der Großherzog Eurer Königlichen Majestät bereits beim Regierungs-
antritt einen Besuch gemacht hat, dürfte einem Besuche Eurer Königlichen
Majestät in Karlsruhe vom Standpunkte der Etikette ein Hindernis nicht
im Wege stehen, ja derselbe aus diesem Grunde einer Begegnung am
dritten Orte vorzuziehen sein.
Aus einem Schreiben an Professor Aegidi in Bonn.))
München, 28. Februar 1869.
. Ich will den müßigen Streit nicht berühren, ob der Prager
Frieden und die Nikolsburger Präliminarien den Verein süddeutscher
Staaten als den einzigen Weg offen lassen, mit dem Norden in nähere
Verbindung zu kommen oder nicht. Ich fasse die Sache nur vom praktischen
Gesichtspunkte ins Auge.
Wer die süddeutschen Zustände aufmerksam beobachtet, wird leicht er-
kennen, daß die Gefahr für Deutschland in der mehr und mehr um sich
greifenden Entfremdung zwischen Süddeutschland und Norddeutschland liegt.
Je strammer das Band gezogen wird, welches die Staaten des Nord-
deutschen Bundes umschließt, um so schwerer wird es dem Süddeutschen,
sich mit dem Gedanken einer Vereinigung mit dem Norden zu befreunden.
Die nationale Abneigung der süddeutschen Stämme gegen die Norddeutschen
ist eine nicht zu leugnende Tatsache. Diese Abneigung, verbunden mit der
Furcht vor dem Aufgehen in dem preußisch-deutschen Einheitsstaate, hat seit
dem Jahre 1866 auffallend zugenommen, und alle Feinde Preußens und
Deutschlands benutzen diese Stimmung, um die Kluft von Tag zu Tag zu
erweitern. So werden die süddeutschen Staaten unmerklich zu einer feind-
lichen Stellung gegenüber dem Norden geführt, und bricht irgendeine von
den Gegnern Preußens gewünschte und geförderte Katastrophe aus, so
tritt die Gefahr nahe, daß Süddeutschland von Norddeutschland dauernd
abgetrennt werde. Um diese Gefahr abzuwenden, ist es nötig, sobald als
1) Aegidi, mit welchem der Fürst im Zollparlament zusammengetroffen war,
hatte ihm am 7. Februar einen Entwurf eines süddeutschen Staatenvereins ge-
sandt, dessen Inhalt sich im wesentlichen auf den der Schutz= und Trutzbündnisse
beschränkte und nur durch die Bildung des „Vereins“ als solche eine Förde-
rung der süddeutschen Verfassungsfrage herbeiführen wollte.