Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 351
Varnbüler in Nördlingen, und das Ergebnis dieser Besprechung war, daß
am 10. März die Liquidationskommission auf den 4. April zusammenberufen
wurde.
Der Nachlaß des Fürsten bietet leider nur wenige Zeugnisse von dem
lebhaften Verkehr mit Ignaz von Döllinger, welcher in der Periode vor
dem Zusammentritt des Vatikanischen Konzils eine so bedeutsame Ein-
wirkung auf die Kirchenpolitik des Fürsten geübt hat. Dieser Verkehr
war naturgemäß in der Hauptsache ein persönlicher, und nur zur Ergänzung
mündlichen Austausches wurden gelegentlich kurze Briefe geschrieben.
Am 23. März 1869 übersendet Döllinger dem Fürsten den Entwurf
zu dem nachfolgenden Rundschreiben vom 9. April.
Das Rundschreiben ist bis auf die Schlußsätze, beginnend mit den
Worten: „Ich habe bisher gewartet“, von Döllinger verfaßt. Eine fran-
zösische Uebersetzung des Rundschreibens hat der Fürst eigenhändig geschrieben.
Rundschreiben an die bayrischen Gesandtschaften
vom 9. April 1869.
Es läßt sich gegenwärtig mit Bestimmtheit annehmen, daß das von
Seiner Heiligkeit dem Papste Pius IX. 1) ausgeschriebene Allgemeine Kon-
zilium, wenn nicht unvorhergesehene Ereignisse dazwischentreten, wirklich
im Dezember stattfinden wird. Ohne Zweifel wird dasselbe von einer
sehr großen Zahl von Bischöfen aus allen Weltteilen besucht und zahl-
reicher werden als irgendein früheres und wird also auch in der öffent-
lichen Meinung der katholischen Welt die hohe Bedeutung und das Ansehen,
welches einem ökumenischen Konzilium zukommt, entschieden für sich und
seine Beschlüsse in Anspruch nehmen.
Daß das Konzilium sich mit reinen Glaubensfragen, mit Gegenständen
der reinen Theologie beschäftigen werde, ist nicht zu vermuten, denn der-
artige Fragen, welche eine konziliarische Erledigung erheischten, liegen
gegenwärtig nicht vor. Die einzige dogmatische Materie, welche man,
wie ich aus sicherer Quelle erfahre, in Rom durch das Konzilium ent-
schieden sehen möchte und für welche gegenwärtig die Jesuiten in Italien
wie in Deutschland und anderwärts agitieren, ist die Frage von der Un-
fehlbarkeit des Papstes. Diese aber reicht weit über das rein religiöse
Gebiet hinaus und ist hochpolitischer Natur, da hiermit auch die Gewalt
der Päpste über alle Fürsten und Völker, auch die getrennten, in welt-
lichen Dingen entschieden und zum Glaubenssatz erhoben wäre.
1) Durch Bulle vom 29. Juni 1868.