Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

352 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
Ist nun schon diese höchst wichtige und folgenreiche Frage ganz ge- 
eignet, die Aufmerksamkeit aller Regierungen, welche katholische Untertanen 
haben, auf das Konzil zu lenken, so muß ihr Interesse, richtiger ihre Be- 
sorgnis, sich noch steigern, wenn sie die bereits im Gange befindlichen 
Vorarbeiten und die Gliederung der für diese in Rom gebildeten Aus- 
schüsse ins Auge fassen. Unter diesen Ausschüssen ist nämlich einer, welcher 
sich bloß mit den staatskirchlichen Materien zu befassen hat. Es ist also 
ohne Zweifel die bestimmte Absicht des römischen Hofes, durch das Kon- 
zilium wenigstens einige Beschlüsse über kirchlich-politische Materien oder 
Fragen gemischter Natur feststellen zu lassen. Hierzu kommt, daß die von 
den römischen Jesuiten herausgegebene Zeitschrift, die „Civilta cattolica", 
welcher Papst Pius in einem eignen Breve die Bedeutung eines offi- 
ziösen Organs der Römischen Kurie zugesprochen hat, es erst kürzlich als 
eine dem Konzilium zugedachte Aufgabe bezeichnet hat, die Verdammungs- 
urteile des päpstlichen Syllabus vom 8. Dezember 1864 in positive Be- 
schlüsse oder konziliarische Dekrete zu verwandeln. Da diese Artikel des 
Syllabus gegen mehrere wichtige Arxiome des Staatslebens, wie es sich 
bei allen Kulturvölkern gestaltet hat, gerichtet sind, so entsteht für die 
Regierungen die ernste Frage: ob und in welcher Form sie teils die ihnen 
untergebenen Bischöfe, teils später das Konzil selbst hinzuweisen hätten 
auf die bedenklichen Folgen, welche eine solche berechnete und prinzipielle 
Zerrüttung der bisherigen Beziehungen von Staat und Kirche herbeiführen 
müßte. Es entsteht ferner die Frage, ob es nicht zweckmäßig erscheine, 
daß die Regierungen gemeinschaftlich, etwa durch ihre in Rom befindlichen 
Vertreter, eine Verwahrung oder Protestation gegen solche Beschlüsse ein- 
legten, welche einseitig, ohne Zuziehung der Vertreter der Staatsgewalt, 
ohne jede vorhergehende Mitteilung über staatskirchliche Fragen oder Gegen- 
stände gemischter Natur von dem Konzilium gefaßt werden möchten. Es 
erscheint mir unumgänglich nötig, daß die beteiligten Regierungen gegen- 
seitiges Einverständnis über diese ernste Angelegenheit zu erzielen ver- 
suchen. 
Ich habe bisher gewartet, ob nicht von einer oder der andern 
Seite eine Anregung ausgehen werde; nachdem dies aber nicht geschehen 
und die Zeit drängt, sehe ich mich veranlaßt, Eure zu beauftragen, 
vorstehende Angelegenheit bei der Regierung, bei welcher Sie beglaubigt 
sind, zur Sprache zu bringen, um über deren Gesinnungen und Anschau- 
ungen bezüglich dieser wichtigen Sache Erkundigung einzuziehen. 
Eure wollen dabei der Erwägung vorgedachter Regierung die 
Frage unterstellen, ob nicht eine gemeinsame, wenn auch nicht kollektive 
Maßnahme der europäischen Staaten in einer mehr oder minder identischen 
Form zu ergreifen wäre, um den römischen Hof über die dem Konzil
	        
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