Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 353
gegenüber von ihnen einzunehmende Haltung im voraus nicht im un-
gewissen zu lassen und ob nicht etwa eine Konferenz von Vertretern
sämtlicher beteiligten Regierungen als das geeignetste Mittel erachtet werden
könnte, jene gemeinsame Haltung einer eingehenden Beratung zu unterziehen.
Eure wollen, wenn es gewünscht wird, Abschrift dieser Depesche
in den Händen des Hern. zurücklassen und über die Aufnahme,
welche dieselbe gefunden hat, baldigst berichten.
Gleichzeitig mit diesem Rundschreiben erging an die katholisch-theo-
logischen und an die juristischen Fakultäten der bayrischen Universitäten die
Aufforderung zur Aeußerung auf die nachfolgenden von Döllinger formu-
lierten Fragen:
1. Wenn die Sätze des Syllabus und die päpstliche Unfehlbarkeit
auf dem nächsten Konzilium zu Glaubenswahrheiten erhoben werden, welche
Veränderungen würden hierdurch in der Lehre von den Beziehungen zwischen
Staat und Kirche, wie sie bisher in Deutschland praktisch und theoretisch
gehandhabt wird, herbeigeführt?
2. Würden in dem vorausgesetzten Falle die öffentlichen Lehrer der
Dogmatik und des Kirchenrechts sich verpflichtet erachten, die Lehre von
der göttlich angeordneten Herrschaft des Papstes über die Monarchen und
Regierungen (sei es als Potestas directa oder indirecta in temporalia)
als jeden Christen im Gewissen verpflichtend zugrunde zu legen?
3. Würden die Lehrer der Dogmatik und des Kirchenrechts sofort sich
verpflichtet erachten, die Lehre, daß die persönlichen und realen Immuni-
täten des Klerus Juris divini seien, also auch zum Gebiete der Glaubens-
lehre gehören, in ihre Vorträge und Schriften aufzunehmen?
4. Gibt es allgemein anerkannte Kriterien, nach welchen sich mit
Sicherheit bestimmen läßt, ob ein päpstlicher Ausspruch ex cathedra, also
nach der eventuell festzustellenden Konziliumsdoktrin unfehlbar und für
jeden Christen im Gewissen verpflichtend sei; und wenn es solche Kriterien
gibt, welches sind dieselben?
5. Inwieweit dürften die angestrebten neuen Dogmen und ihre not-
wendigen Konsequenzen auch einen alterierenden Einfluß auf den Volks-
unterricht in Kirche und Schule und auf die populären Lehrbücher
(Katechismus u. s. w.) ausüben?
Am 31. Oktober 1867 hatte die Regierung den Entwurf eines Schul-
gesetzes bei der Kammer der Abgeordneten eingebracht. Dieser Gesetz-
entwurf wurde schon vor der Diskussion in der Kammer der Gegenstand
einer lebhaften Agitation der ultramontanen Partei, weil er prinzipiell
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. 1 28