Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

356 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
wendigkeit bezeichnet. Jener Herr Reichsrat sagte damals: „Ich hoffe, 
man wird endlich von der in früherer Zeit so ziemlich verbreiteten Ansicht 
abgekommen sein, daß das Glück des Staats in der Verdummung der 
unteren Klasse beruhe; unfre erleuchtete Staatsregierung wird die Ueber- 
zeugung hegen, daß Gefahr für den Staat nicht durch Bildung des Volks, 
wohl aber durch das Gegenteil, durch Mangel an Bildung, entstehen könne, 
daß die Kraft der Nation und mit derselben der Nationalwohlstand zu- 
nächst auf der Intelligenz des Volks beruhe. Von dieser Ueberzeugung 
ausgehend, wird sie nicht säumen, die Sünden der Vergangenheit gutzu- 
machen und zunächst unser Schulwesen der gründlichsten Revision zu 
unterstellen; hiermit zugleich aber wird sie eine Hauptursache zunehmender 
Verarmung beseitigen.“ 
Indem ich mich diesen Worten aus vollem Herzen anschließe, glaube 
ich, daß ich wohl von keiner Seite dieses hohen Hauses einem Widerspruch 
begegnen werde. Diese Mahnung war nicht die einzige, welche durch die 
Kammer an die Staatsregierung gerichtet wurde. Ich erinnere Sie nur 
an den Gesamtbeschluß der beiden Kammern vom Jahre 1866, in welchem 
um die Vorlage eines Schulgesetzes auf freisinniger Grundlage gebeten 
wurde. ) Die Staatsregierung ist diesen Wünschen nachgekommen und hat 
ein diesen Forderungen entsprechendes Gesetz vorgelegt. Seitdem hat zu- 
erst außerhalb der Landesvertretung und dann in den Kammern die 
Diskussion begonnen. Es ist einer der Vorzüge des konstitutionellen 
Lebens, daß Fragen, welche die öffentliche Meinung aufregen, durch die 
Diskussion der gesetzlichen Vertreter verarbeitet und geklärt werden und 
daß infolgedessen die Ruhe in die Gemüter zurückkehrt. Auch in der vor- 
liegenden Frage war dies der Fall und, wenn mich nicht alles täuscht, 
hat die anfängliche Aufregung gegen das, wie man es zu nennen beliebte, 
heillose Schulgesetz einer mehr unbefangenen Auffassung Platz gemacht. 
Auch die Beratungen Ihres Ausschusses zeigen, soweit die Protokolle 
darüber Auskunft geben, nichts von einer leidenschaftlichen Erregung der 
Herren Mitglieder, und auch die Reden der beiden Herren Referenten 
zeigen die ruhige und unbefangene Beurteilung des vorliegenden Gesetz- 
entwurfs. Jene vielgehörte Klage, daß durch ein Schulgesetz, wie das 
von der Regierung entworfene, die Kirche in ihren Rechten bedroht werde, 
fängt wenigstens außerhalb der Kammer an zu verstummen, denn, wer 
unbefangen das Gesetz beurteilt, wird nach und nach zu der Ueberzeugung 
kommen, daß der Unterschied zwischen dem gegenwärtigen Zustande und 
den Vorschlägen der Staatsregierung nicht so groß sei, als man ursprüng- 
lich geglaubt hatte. Allerdings gehen die Beschlüsse des Ausschusses und 
  
1) Siehe Seite 174.
	        
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