Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 359 
Das Schulgesetz wurde in dem Landtage nicht verabschiedet, da eine 
Verständigung zwischen beiden Kammern nicht zu erzielen war. 
Die im April und Mai eingegangenen Antworten der Mächte auf das 
Rundschreiben vom 9. April wurden Döllinger mitgeteilt, welcher darauf 
dem Fürsten die folgenden „Bemerkungen“ einsendete: 
Wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, daß mit der Proklamation der 
päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem Konzil Ernst gemacht werden solle, dürfte 
sich aus folgendem ergeben: 
a) Die Sache wird schon seit längerer Zeit betrieben. Rom hat seit 
etwa sieben oder acht Jahren nachdrücklich zur Haltung von Provinzial- 
synoden und Diözesansynoden gedrängt und dabei zu bewirken gewußt, 
daß der Artikel von der päpstlichen Unfehlbarkeit schon in die Beschlüsse 
oder Akten dieser Synoden aufgenommen worden ist. 
b) Die zwei deutschen Bischöfe, welche bisher eigne Schriften über 
das Konzil herausgegeben haben, Ketteler von Mainz) und Feßler von 
St. Pölten, 2) haben sich beide zugunsten des neu zu machenden Dogmas er- 
klärt. Feßler ist bereits vom Papst, wie zur Belohnung, zum Sekretär 
des Konzils ernannt worden. 
c) Wenn die Jesuiten gleichzeitig in Rom und in Deutschland in der 
„Civiltà“ wie in den „Laacher Stimmen“ ankündigen, daß das Konzil das 
neue Dogma machen werde, so ist das bei der Macht, Organisation und 
umfassenden Personenkenntnis des Ordens von großem Gewichte. 
d) Wer die Bischöfe in den romanischen Ländern kennt, weiß, daß 
die übergroße Mehrheit derselben in Italien, Spanien, selbst in Frankreich 
der Unfehlbarkeitstheorie anhängt. Es wird ihnen das als ein Funda- 
mentalartikel schon in den Seminarien beigebracht. Selbst die nord- 
amerikanischen Bischöfe haben sich durch das Mittel eines in ihre Synodal- 
dekrete eingerückten Paragraphen bereits einfangen lassen. Von den 
italienischen, deren wohl an 130 auf dem Konzil erscheinen können, wird 
voraussichtlich jeder dafür stimmen. Von der Tragweite der Sache haben 
diese Bischöfe — ich meine die italienischen und spanischen und einen 
großen Teil der französischen — keinen Begriff. 
Folgen des neuen Glaubenssatzes von der Unfehlbarkeit des Papstes: 
1. Der Syllabus von 1864 wird eo ipso ein mit unfehlbarer Auto- 
rität bekleidetes Glaubensdekret. 
  
1) Ketteler, Das allgemeine Konzil und seine Bedeutung für unfre Zeit, 1869. 
2) Feßler, Das letzte und das nächste allgemeine Konzil 1869. Feßler wurde 
am 27. März 1869 zum ersten Sekretär des Konzils ernannt.
	        
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