Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 391 
verschwand. Ich lief nach, sah ihn noch einmal, wollte wieder schießen, 
da versagte das Gewehr. Nun glaubte ich schon, er sei schlecht geschossen. 
Nach dem Treiben fand er sich aber wenige Schritte hinter mir verendet. 
Große Freude und Aufregung. Alle andern Wölfe, deren es sieben waren, 
wurden gefehlt. Nur zwei Rehe und einige Hasen waren geschossen. Nach 
einem zweiten Treiben, bei welchem ich einen Fuchs schoß, verließ ich die 
Jagd, um nach Holiszow zu fahren. 
20. August 1869. 
Um 11½ Uhr fuhren wir von Biala ab und kamen um ½6 Uhr 
in Warschau an. Die beiden jungen Bergs erwarteten mich mit der 
Equipage ihres Onkels und fuhren mich ins Hotel. Nach dem Essen kam 
Graf Berg und lud mich für morgen zum Diner ein. Er brachte mir 
ein ganzes Paket der von seiner diplomatischen Kanzlei jeden Tag gemachten 
Zeitungsberichte, aus welchen ich mich über den Stand der Politik unter- 
richten konnte. Der alte Marschall hat eine rührende Zärtlichkeit für 
seine Neffen und Adoptivsöhne. Er spricht gern von ihnen und ist glück- 
lich, daß ich ihnen die Freude machen will, sie zur Gemsjagd einzuladen. 
Graf Berg ist überhaupt ein sehr guter Mann, der seine schwierige Stel- 
lung mit großem Takt und aller nur irgend möglichen Rücksicht ausfüllt. 
Jeden Tag wird es mir aber deutlicher, daß zwischen Polen und Russen 
kein Friede möglich ist. Die Antipathie liegt in den Rassen. Der Russe 
ist energisch, rücksichtslos, gefühllos und dabei klug. Der Pole leiden- 
schaftlich, feinfühlend, leicht verletzt und nicht ausdauernd. „Le Français 
du Nord“", wie er sich gern nennt. Die Unterdrückung der einen Rasse 
durch die andre tritt überall zutage. Der Haß wird dadurch stets von 
neuem angefacht. Man glaubt in Rußland zu sein, wenn man über die 
Grenze bei Sosnowize fährt, und doch ist man in einem durchaus anti- 
russischen Lande, dessen Bewohner nur so lange russisch bleiben, als sie 
durch die russischen Soldaten, Beamten und Priester unterdrückt werden. 
Jetzt setzen sie ihre Hoffnung auf Oesterreich und auf eine angeblich be- 
vorstehende Revolution in Rußland. Ich glaube, sie täuschen sich. Der 
russische Koloß liegt wie ein Alp auf Polen, und ich zweifle, daß sie ihn 
je dauernd werden abschütteln können. 
Wien, 25. August 1869. 
Nach zweitägigem Aufenthalt in Rauden heute früh in Wien an- 
gekommen. Besuch um 3 Uhr bei Graf Beust. Er war sehr liebens- 
würdig und zuvorkommend wie immer. Erzählte zunächst von seinem 
Zeitungskrieg mit Preußen,") hoffte, daß nun alles vorüber sein werde, 
  
1) Veranlaßt durch die Depesche des Herrn von Thile vom 4. August, welche 
gegen Aeußerungen Beusts in den Delegationen Verwahrung einlegte.
	        
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