392 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
hob aber hervor, daß es sehr schwer sei, jede Verstimmung zu vermeiden.
Die Aeußerungen in den Delegationen seien in Berlin falsch aufgefaßt
worden. Im allgemeinen von dem Verhältnis zwischen Preußen und
Oesterreich sprechend, meinte er, und das habe er auch Werthern oft ge-
sagt, daß eine Verständigung nur dann möglich sei, wenn Oesterreich sich
entschlösse, Preußen in Deutschland freie Hand zu lassen, dann werde
Preußen sofort davon profitieren, damit verliere Oesterreich aber die
freundliche Stimmung Frankreichs, und die russisch-französische Allianz sei
die Folge davon. Damit würden die Interessen Oesterreichs im Orient
aufs schwerste bedroht, und Oesterreich sei schließlich doch nicht sicher, ob
ihm die Allianz Preußens gegenüber von Rußland den Ersatz für die
freundschaftlichen Gesinnungen Frankreichs biete. So folge aus einem
Schritt ein zweiter, und man müsse die ganze Reihenfolge im Auge be-
halten. Ich hob hervor, daß ich gerade deshalb, weil ich für Oesterreich
eine dauernde Stellung innerhalb einer Vereinigung von Oesterreich,
Preußen und Süddeutschland wünschte, auf die verschiedenen Projekte ge-
kommen sei, denn dazu nötige uns ja auch das eigne Interesse, welches die
Verständigung Oesterreichs und Preußens auf unfre Kosten durchaus nicht
wünschen lasse.
Beust erinnerte, daß er ebendeshalb auch den süddeutschen Bund
(ohne Oesterreich) als eine Garantie des Friedens ansehe, worauf ich ihm
bemerkte, daß der süddeutsche Bund an der Eifersucht Württembergs das
größte Hindernis finde, ein Hindernis, welches eben nur durch Mittel
beseitigt werden könnte, welche ich als zu abenteuerlich dem Könige nicht
vorschlagen könne. (Adoptierung des Programms der süddeutschen Demokratie.)
Nach diesen und ähnlichen Gesprächen empfahl ich mich. Noch muß
ich bemerken, daß auch das Konzil zur Sprache kam. Ich machte Beust
darauf aufmerksam, daß über die Pläne in Rom nicht zu zweifeln sei,
erwähnte Manning, die „Civiltà“ u. s. w. Er gab das zu, erwähnte aber, daß
man sich gedulden müsse. Er hoffe auf eine Spaltung innerhalb des
österreichischen Klerus, diese würde sich aber nicht vollziehen, wenn sich
die Regierung nicht ganz passiv verhielte. Er hofft viel in diesem Sinne,
d. h. im liberalen, vom Bischof von Salzburg.
Aus einem Brief Döllingers.
Herrnsheim bei Worms, 5. September 1869.
Der Brief behandelt die Antwort, welche die theologische Fakultät in
München auf die Fragen der Regierung (siehe Seite 353) gegeben hatte.
Der Entwurf zu dem Gutachten, welcher von Döllinger verfaßt war, ist
„durch die Kollegen nicht gerade wesentlich verändert worden, aber es sind
Zusätze, Erweiterungen hinzugekommen, welche — die Klugheit, d. h. das