Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

396 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
entsprach, der nach dem Erachten des treugehorsamst Unterzeichneten darin 
bestand, vor der Welt die besseren Beziehungen Oesterreichs zu Preußen 
zu dokumentieren. Von Baden ging Graf Beust zunächst nach Straßburg, um 
der dort in der Nähe wohnenden Familie Pourtales einen Besuch zu machen, 
wo er mit dem österreichischen Botschafter Fürsten Metternich zusammentraf. 
Die Erwähnung dieses Besuchs führte natürlich auf die Verhältnisse in Frank- 
reich. Graf Beust kann so wenig wie irgend jemand voraussehen, was 
beim Eintritt des Todes des Kaisers Napoleon in Frankreich geschehen 
wird. Er glaubt aber, und hat dies dem Kaiser durch den Fürsten 
Metternich sagen lassen, daß nur das Aufgeben des persönlichen Regimes 
und das unbedingte Eintreten in die konstitutionelle Regierungsform die 
Dynastie retten könne. Graf Beust hat dem Kaiser deshalb dringend an- 
empfohlen, auf dem Wege der Reform der Staatsverfassung nicht stehen 
zu bleiben. Er hat auf das Beispiel Oesterreichs hingewiesen, wo die 
Folge des Konstitutionalismus Beruhigung der Gemüter und Wiederauf- 
blühen der Geschäfte und eine gesicherte Stellung gegen außen gewesen sei. 
Was die Reise der Kaiserin nach dem Orient 1) betrifft, so behauptete Graf 
Beust, daß dieselbe unternommen werde, um die Kaiserin, die ihrer ultra- 
montanen Richtung wegen sehr unpopulär sei, den Franzosen etwas aus 
dem Gesicht zu bringen. 
Der wichtigste Besuch, den der österreichische Minister auf seiner Reise 
gemacht hat, war ohne Zweifel der bei dem russischen Minister Fürsten 
Gortschakow in der Schweiz. Er hatte mit ihm eine mehrstündige Konferenz, 
in welcher über die ganze europäische Lage gesprochen wurde. Es scheint 
aus den Mitteilungen über die Unterhaltung mit ziemlicher Sicherheit 
hervorzugehen, daß der Zweck der Reise Beusts vor allem darin bestand, 
in Anbetracht der bevorstehenden Ereignisse in Frankreich ein besseres Ein- 
vernehmen mit den nordischen Mächten herbeizuführen. Graf Beust gab 
zu, daß der treugehorsamst Unterzeichnete seine Ansicht richtig formuliere, 
als er ihm sagte, es erscheine nötig, daß die soliden Mächte des europäischen 
Kontinents sich gegenüber den in Frankreich vorauszusehenden Eventualitäten 
dahin verständigten, vorläufig ihre gegenseitigen kleinen Mißverständnisse 
auf sich beruhen zu lassen, oder, wie Beust sich ausdrückte, „die Häkeleien 
beiseite zu lassen"“. Man sei, fügte er bei, selbstverständlich weit davon 
entfernt, diesen „guten Beziehungen“ eine bestimmte Form zu geben. Von 
einer Allianz sei keine Rede, und man unterlasse das, um Frankreich nicht 
zu verletzen, welches in einer nordischen Allianz immer eine Koalition sehen 
werde. Aber man hat sich verständigt, und im Interesse des europäischen 
Friedens ist damit viel erreicht. 
  
1) Zur Eröffnung des Suezkanals.
	        
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