Aus der Jugend (1819 bis 1847) 31
München, 9. Mai 1846.
Nichts ist im politischen Leben schlimmer und besser als jene Ueber-
gänge vom Zweifel zum festen Bewußtsein. Schlimm, weil sie am innersten
Leben zehren, gut, weil sie dem Zustande des Zweifels ein Ende machen.
Ich bin jetzt so weit gekommen. Wenn ich bisher noch von der sogenannten
ultramontanen Partei gut dachte, wenn ich sie für ungefährlich hielt, so
ist dieser Gedanke, der mich bisher immer im Zweifel hielt, was ich zu
tun habe, gewichen. Seit meinem Gespräche mit H. J. hat sich meine
Ansicht befestigt. Ich sehe nun plötzlich den Abgrund, in den ich durch
die Politik der Jesuiten zu stürzen Gefahr lief. Die Unduldsamkeit, der
Haß gegen den Protestantismus, der sich bei ihm ganz klar darstellte, die
Idee, daß die Reformation mit allen ihren Folgen nur eine Verirrung
gewesen, daß unfre philosophischen, literarischen und andern Glanz= oder
Größenpunkte nur Verirrungen des menschlichen Geistes seien, ist eine zu
absurde, meinem innersten Wesen zu diametral entgegengesetzte Perfidität
und auf eine innere Verworfenheit zeigende Korruption, als daß ich mich
je entschließen dürfte und könnte, ohne mein ganzes vergangenes inneres
Leben, alle meine teuersten Ueberzeugungen zu verleugnen, dieser Partei
auch nur die geringste Hilfe zu leisten. Ich bitte Gott um Kraft, daß er
die Versuchung dieser Teufelsgesellschaft, die nur auf Unterjochung der
menschlichen Freiheit, und zwar der geistigen, hinarbeitet, von mir fern-
halten möge, damit ich weder durch Versprechungen noch durch Drohungen
irre gemacht werde, vom rechten Pfade der Wahrheit abzugehen. Dazu
bedarf es eines offenen Bruchs mit der ganzen Clique, den ich so bald
wie nur immer möglich herbeiführen werde.
An die Prinzessin Amalie.
München, 2. Juni 1846.
Ich akklimatisiere mich, wie Herr Bolte sagt, mehr und mehr in
München. Schon ist es mir möglich, mit dem Volke in einem aus
Hohenlohisch und Altbayrisch zusammengesetzten Dialekt zu sprechen und
in der Gesellschaft französische Phrasen mit deutschen elegant zu verschmelzen.
Sonst lebe ich, da die große Welt sich zerstreut hat, still für meine Pläne
und für die Kunst und bedauere, daß ich dich nicht in all dem Schönen
herumführen kann.
An die Mutter.
Schillingsfürst, 20. Juni 1846.
Meine Pläne sind noch unbestimmt, da ich noch abwarte, ob der
König mich zum Vorstande des Landwirtschaftlichen Zentralvereins ernennt,
und dann nach München gehe, um mich zu orientieren. Hier beschäftige