Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 405 
Hörmann aufzufordern, über das Resultat der Wahlen Vortrag halten 
zu wollen, was sehr schnell beendigt war, da die Zahl bereits bekannt 
und kein Zweifel war, daß die Ultramontanen 80, die Liberalen nur 74 
Stimmen hätten. Darauf entstand eine Pause. Ich benützte dieselbe sofort, 
um das Wort zu ergreifen und den Herren auseinanderzusetzen, daß ich 
es sei, gegen den sich die allgemeine Antipathie in der patriotischen Partei 
richte, ich rekapitulierte mein früheres Programm, hob die Aenderung in 
der Stimmung des Landes hervor und stellte die Frage an die Minister, 
ob sie nicht glaubten, daß die Aufregung sich beschwichtigen ließe und 
ein Modus vivendi mit der Kammer dann herzustellen sein werde, wenn 
ich das Ministerium verließe. Sie möchten mir darauf offen ihre Ant- 
wort sagen. 
Hörmann ergriff sofort das Wort, um zu erklären, daß er jedenfalls 
sich mir anschließen werde, da ihn das Mißtrauensvotum des Landes vor 
allen getroffen. Er rechtfertigte sich in eingehender Weise, indem er nach- 
wies, daß eine Regierung in der gegenwärtigen Zeit nicht parteilos sein 
könne. Es handle sich, den modernen Staat gegen die reaktionären Ge- 
lüste der Ultramontanen zu verteidigen. Wie die Regierung bestehen 
könne, wenn sie in diesem Kampfe nicht Partei nehmen wolle! 
Ihm schloß sich Gressert) an, indem er eine würdige Handbewegung 
machte. Er schien einen römischen Senator darstellen zu wollen und war 
äußerst pathetisch. 
Pfretzschner, der nun das Wort ergriff, gestand „mit aller kollegialen 
Offenheit“ zu, daß allerdings die Animosität der Parteien sich gegen die 
drei Kollegen gerichtet habe, und „ließ die Frage unentschieden“, ob durch 
eine partielle Modifikation des Ministeriums nicht am besten der Verlegen- 
heit abgeholfen werden könne. 
Schlör sprach sodann gegen den Gedanken einer allgemeinen Ent- 
lassung des Ministerrats. Er deutete darauf hin, daß man ja auch bei 
der Entlassung des Ministers Bomhard nicht den Weg der allgemeinen 
Entlassung eingeschlagen habe, sprach von der schlimmen Lage, in welche 
das Ministerium wohl auch aus dem Grunde gekommen sei, weil die 
Solidarität des Ministerrats nur leerer Schall gewesen, führte verschiedene 
Fälle an, welche beweisen sollten, daß ich das Ministerium im ganzen in 
die Verantwortung von Handlungen hineingezogen hätte, ohne daß die 
andern Minister etwas davon gewußt hätten. Er erwähnte rühmend, wie 
Pfordten jeden Ministerrat mit Vorlegung von Depeschen begonnen habe, 
tadelte, daß Ernennungen im diplomatischen Korps stattgefunden hätten, 
  
1) Der Minister des Kultus und Unterrichts, der durch sein Schulgesetz die 
besondere Feindschaft der Ultramontanen sich zugezogen hatte.
	        
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