Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 429 
Allein es schien nach den Berichten, welche ich aus Rom erhielt, die Frage 
über die Teilnahme der Regierungen am Konzil noch keineswegs entschieden 
zu sein. 
Die Berichte im Sommer 1868 ließen alle ersehen, daß Kardinal 
Antonelli damals noch im Zweifel war, ob eine Einladung an die Re- 
gierungen zur Teilnahme erfolgen solle. Wir mußten uns also darauf 
gefaßt machen, zu dem Konzil eingeladen zu werden. Das war also ein 
formeller Grund, weshalb die Regierung verpflichtet war, sich näher mit 
der Sache zu beschäftigen und sich mit den übrigen europäischen Regierungen 
ins Benehmen zu setzen, damit eine gleichmäßige Haltung gegenüber dem 
Konzil ermöglicht werde. Ein zweiter Grund, weshalb die Regierung ihre 
Aufmerksamkeit dem Konzil zuwenden mußte, war der Inhalt der bevor- 
stehenden Verhandlungen. Hier boten sich uns offiziöse Mitteilungen aus 
Rom dar, in welchen die Absichten, welche von einer sehr mächtigen Partei 
in Rom gehegt wurden, dargelegt waren. Es waren dies die „Civiltà 
cattolica" und die „Laacher Blätter“. Was in jenen Zeitschriften über 
die Absichten enthalten war, welche dem Konzil zugeschrieben wurden, mußte 
die Regierung mit einiger Besorgnis erfüllen. Das war der Grund, wes- 
halb ich mich an die andern Regierungen gewendet und auf die Gefahren 
aufmerksam gemacht habe, die aus solchen Beschlüssen hervorgehen könnten, 
und ich habe zugleich darauf angetragen, sich durch gemeinschaftliche Be- 
ratungen darüber klar zu werden, in welcher Weise man etwaigen Beschlüssen 
der Art, welche Staat und Kirche in Zwiespalt zu bringen geeignet wären, 
entgegenarbeiten könnte. Es lag darin durchaus keine feindliche Absicht 
gegenüber der Kirche. Um nun aber auf festem Boden zu stehen, wurden 
auch noch sowohl die theologischen als die juristischen Fakultäten zu Gut- 
achten aufgefordert; diese sind durch die Presse veröffentlicht, und sie beweisen, 
daß die Befürchtungen der Staatsregierung nicht unbegründet waren. 
Der Herr Abgeordnete Westermayer hat gefragt, was denn in der Zwischen- 
zeit geschehen ist, um die Tätigkeit der Regierung zu rechtfertigen. Ich 
will Sie nicht weiter mit Ausführungen ermüden, sondern lediglich bitten, 
wenn die Sitzung vorüber ist, die „Allgemeine Zeitung“ von heute zu 
lesen, in der Sie das „Schema de ecclesia Christi“ 1) finden. Ich glaube, 
daß, wer dieses Schema, welches den Beratungen des Konzils unterstellt 
werden wird, aufmerksam durchliest, keinen Zweifel darüber haben wird, 
daß hier der Keim zu einem Konflikt zwischen Staat und Kirche gegeben 
sein dürfte. 
  
1) Das von dem Jesuiten Perrone verfaßte „Schema de ecclesia“ erneuerte 
die Ansprüche der Päpste auf Oberherrschaft über Fürsten und Völker. Friedrich, 
Das Vatikanische Konzil, Bd. III S. 542.
	        
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