Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 431 
Allein das kann ich nicht als die Ueberzeugung der ganzen Partei annehmen. 
Denn sonst würden Ihre Versicherungen in Ziffer IV des Adreßentwurfs 
nicht denjenigen Grad von Glaubwürdigkeit verdienen, welchen ich Ihnen, 
wie man es einem loyalen Gegner schuldig ist, gern zugestehe. 
Sie sprechen aus, daß Sie eine nationale Verbindung der deutschen 
Stämme wollen und verlangen, und ich darf annehmen, daß Sie diesen 
Wunsch und diese Hoffnung nicht in eine nebelhafte Ferne und in eine 
Zeit verlegen wollen, in welcher durch ungeahnte und nicht zu erwartende 
Ereignisse nicht etwa bloß die Basis der Friedensverträge von 1866 beseitigt, 
sondern auch der ganze seit Jahrhunderten vollzogene Entwicklungsgang 
der deutschen Staaten in sein Gegenteil verkehrt sein würde. Wenn Sie 
aber, meine Herren, darauf nicht warten wollen, so gibt es nur einen 
Weg, diese nationale Verbindung zu erlangen, und das ist derjenige, welchen 
die bayrische Regierung versucht hat. Es ist der Weg, durch Verträge, also 
durch Akte der gleichberechtigten Staatssouveränität, eine verfassungsmäßige 
Gemeinschaft des Südens mit dem Norden herbeizuführen 
Ich muß es gegenüber den Aeußerungen des Herrn Referenten noch- 
mals betonen, ich habe niemals, auch nicht im August 1866,1) mich für 
den Eintritt in den Norddeutschen Bund ausgesprochen. Der Norddeutsche 
Bund war damals noch nicht abgeschlossen, und der Herr Referent würde 
im Verfolg meiner Aeußerungen von damals gefunden haben, daß ich eben 
deshalb für die Annäherung an den Norden Deutschlands gesprochen habe, 
weil es damals noch nicht unmöglich gewesen wäre, Bedingungen zu 
erlangen, mit welchen die Selbständigkeit Bayerns vereinbar gewesen wäre. 
Sie werden vielleicht eine solche Voraussetzung naiv finden, ich bitte Sie 
aber, nicht zu vergessen, daß ich noch nicht Minister war und als Privat- 
mann nicht die volle Kenntnis aller tatsächlichen Verhältnisse besitzen konnte. 
Ich halte auch den Eintritt in den Norddeutschen Bund nicht bloß für 
eine Frage der Zeit, wie mir der Herr Abgeordnete Pfahler imputieren 
wollte. Ich habe die Gründe — und es sind nicht bloß Geldgründe, wie 
derselbe Herr Redner meinte, weshalb ich die Verfassung des Norddeutschen 
Bundes nicht für die geeignete Form einer nationalen Vereinigung für 
uns Süddeutsche ansehen kann — so oft und so verständlich auseinander- 
gesetzt, daß es wohl genügen dürfte. Aber meine Herren, das ist doch 
vollkommen unmöglich, überhaupt eine nationale Verbindung zu schaffen, 
wenn gar keine Rechte, gar keine Gegenstände, gar keine Legislative, über- 
haupt gar nichts, was bisher der einzelne Staat für sich besorgte, künftig 
gemeinsam besorgt werden soll; und ich erachte die Selbständigkeit Bayerns 
dadurch allerdings nicht für gefährdet, wenn es gewisse Angelegenheiten 
  
1) Siehe Seite 171.
	        
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