438 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870)
Vertrauen, welches das bayrische Volk in seine Dynastie setzt. Ich kann
Eurer Königlichen Majestät nicht raten, einen andern Weg einzuschlagen,
welcher das Vertrauen des Volks in Eure Königliche Majestät vermindern
und Allerhöchstdieselboen, wenn auch nicht mit Notwendigkeit, doch mög-
licherweise zu gewaltsamen Schritten führen könnte.
Eure Königliche Majestät würden damit einer um so größeren Gefahr
entgegengehen, als sich in nicht zu ferner Zeit gewaltsame Umwälzungen
in Frankreich und vielleicht auch in andern europäischen Staaten voraus-
sehen lassen. Träfe eine solche Zeit mit einer Beunruhigung des König-
reichs zusammen, welche in dem Umstand Nahrung fände, daß den kon-
stitutionellen Rechten zuwidergehandelt worden ist, so würde die Be-
wegung sich nicht mehr gegen das Ministerium, sondern gegen die Aller-
höchste Person Eurer Königlichen Majestät selbst richten. Einer solchen
Eventualität dürfen Eure Königliche Mcajestät nicht ausgesetzt werden.
Ich erlaube mir den ehrfurchtsvollen Rat, Eure Mgjestät wollen sich in
den konstitutionellen Formen eine stets bereite Handhabe erhalten, um
die Beruhigung des Landes nach der einen oder der andern Richtung
herbeizuführen. In dieser Erwägung und lediglich im allerhöchsten Inter-
esse Eurer Königlichen Majestät wage ich daher die alleruntertänigste
Bitte, mich von dem mir allergnädigst übertragenen Amte entheben zu
wollen. Ich bin bereit, die Geschäfte des Ministeriums fortzuführen bis
es Eurer Königlichen Majestät gelungen sein wird, den Eurer Königlichen
Majestät geeignet erscheinenden Nachfolger zu finden.
Journal.
München, 14. Februar 1870.
Um 3 Uhr schickte ich mein Entlassungsgesuch an den König. Um
½ 7 Uhr ging ich in die Residenz. Der König empfing mich sehr liebens-
würdig, bedauerte die Lage der Dinge und daß es soweit gekommen sei,
schien aber wohl einzusehen, daß ich nicht anders habe handeln können.
Er war über die Verhandlungen in der Kammer der Abgeordneten sehr
wohl unterrichtet, zitierte Stellen aus meiner Rede und sprach seine Ent-
rüstung über die „Patrioten“ aus. Er meinte, es sei eine Schwäche, nach-
zugeben, und bestritt meine Auffassung. Ich suchte ihm zu beweisen, daß
ich nur in seinem Interesse handle, indem ich ihn nicht in eine Lage ver-
setzte, entweder nachzugeben oder zu einem Staatsstreich zu kommen. Ich
sagte, daß er vollkommen in seinem Recht gewesen sei, der Kammer der
Reichsräte sein Mißfallen zu erkennen zu geben, daß aber der Beschluß
der gewählten Vertreter des Landes eine andre Bedeutung habe und das
Verbleiben eines Ministers, dem die Kammer so feindlich gegenüberstehe,
zu übeln Folgen führen könne. Er protestierte dagegen, daß er unkon-