Die Revolution und die Reichsgesandtschaft (1848 bis 1850) 45
Nachdem der Landtag am 5. Juni geschlossen war, hatte die praktische
politische Tätigkeit des Fürsten zunächst ihr Ende erreicht, und er war
während des Sommers auf die Rolle des Zuschauers beschränkt. Ueber
die Tätigkeit des Frankfurter Parlaments schrieb er aus Frankfurt am
31. August: „Von politischen Verhältnissen kann ich Dir nur so viel sagen,
daß es mit der deutschen Einheit ziemlich schief zu gehen scheint. Man
hat hier die Zeit, wo das Eisen warm war und wo man die Einheit
hätte schmieden können, mit dummen, einfältigen Schwätzereien verbracht,
und jetzt sind die einzelnen Nationalitäten so erstarkt, insbesondere Preußen,
daß wir weiter von der Einheit sind als je. Die ganze Nationalversamm-
lung ist jetzt lächerlich. O Deutschland!“
Wiesbaden, 23. September 1848.
Wie schnell die politischen Verhältnisse sich ändern können, zeigt die
Frankfurter Revolte, wo nicht viel gefehlt hätte, daß man die rote Republik
ausrief. Unfre ganzen sozialen und politischen Verhältnisse sind furchtbar
zerrüttet, insbesondere im Südwesten von Deutschland und überall da, wo
das Christentum seit Jahren ausgerottet ist. Diese Verworfenheit zeigt
die Ermordung Lichnowskys und Auerswalds, über die ich nicht imstande
bin mehr zu schreiben. Es ist die grausenhafteste Tat, die je die Welt-
geschichte gesehen hat. So groß ist aber die Verblendung unter den
Deutschen, daß selbst die scheußlichsten Verbrechen ohne Eindruck vorüber-
gehen und das ganze Volk dennoch aus bloßer purer Dummheit der
Barbarei und dem Untergang der Ziovilisation jeden Tag mehr und mehr
in die Arme rennt. Es legt sich mehr und mehr eine Hoffnungslosigkeit
ohnegleichen über mein politisches Bewußtsein. Zu dem Aufblühen eines
großen freien Deutschlands, an das ich noch vor zwei Monaten geglaubt,
gehört ein gesundes, kräftiges und frommes Volk. Mit Skeptikern und
da, wo der Zweifel in die untersten Schichten der Gesellschaft eingedrungen
ist, kann man kein staatliches Leben mehr hervorrufen. Da geht die soziale
und staatliche Ordnung zugrunde. Keine Zeit hat in dieser Beziehung
mehr Aehnlichkeit mit der unsern als die des Untergangs des römischen
Reichs. Christentum und Ziovilisation werden sich ein andres, gesunderes
Volk aussuchen als das europäische. Es ist, als wollte Gott die Ziovili-
sation nie bis zu ihrem Kulminationspunkt kommen lassen, damit der arme
Erdenwurm nicht gar zu übermütig werde.
stein, Leiningen und Hohenlohe begrüßten das Gesetz als einen erfreulichen Fort-
schritt, sahen aber in demselben doch nur einen Uebergang zur Verwirklichung des
wahren konstitutionellen Prinzips.“ Seit dem 19. April waren die Sitzungen der
Kammer der Reichsräte öffentlich.