Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

46 Die Revolution und die Reichsgesandtschaft (1848 bis 1850) 
Trotz dieser pessimistischen Beurteilung der Entwicklung entzog sich 
der Fürst der an ihn ergehenden Aufforderung zu politischer Tätigkeit 
nicht. Durch das Gesetz vom 28. Juni 1848 war „bis zur definitiven 
Begründung einer Regierungsgewalt für Deutschland“ eine „provisorische 
Zentralgewalt für alle gemeinsamen Angelegenheiten der deutschen Nation“ 
eingesetzt worden. Diese hatte unter anderm „die völkerrechtliche und 
handelspolitische Vertretung Deutschlands auszuüben und zu diesem Ende 
Gesandte und Konsuln zu ernennen“. 
Durch Rundschreiben der provisorischen Zentralgewalt vom 20. Sep- 
tember wurden die Einzelstaaten aufgefordert, ihre Vertretungen im Aus- 
lande zurückzuziehen oder durch diese wenigstens erklären zu lassen, daß 
die politische Vertretung Deutschlands in den Gesamtangelegenheiten der 
Nation ausschließlich in den Händen der Reichsgesandten liege. „Eines 
Tages,“ so meldet eine mit Bleistift geschriebene, nicht datierte Aufzeichnung 
des Fürsten,!) „kam ein Universitätsfreund der Heidelberger Zeit zu mir 
und teilte mir mit, das Reichsministerium beabsichtige, mir eine Mission 
anzuvertrauen. Bayrische Abgeordnete zum Reichstage hatten meine Tätig- 
keit im bayrischen Reichsrate erzählt und meine rege Anteilnahme an der 
Politik jener Tage gerühmt. Allerdings warnten mich erfahrene alte 
Diplomaten, setzten mir auseinander, daß das neue Reich keine Dauer 
verspreche und rieten mir, mich nicht auf ein wankendes Schiff zu begeben. 
Ich glaubte ihnen nicht. Ich hoffte auf den Sieg der preußisch-deutschen 
Idee. Dazu kam, daß die Gesandten, die das Reich bis dahin ausgeschickt 
hatte, eine ziemlich triste Rolle gespielt hatten, und ich meinte in jugend- 
lichem Selbstbewußtsein, daß ich das besser machen und das Reich mit 
mehr Nachdruck werde vertreten und zur Geltung bringen können. Ich 
war jung und hatte eine mutige, reiselustige Frau.“ Durch ein Schreiben 
des Ministers v. Schmerling vom 1. November 1848 erhielt der Fürst die 
amtliche Mitteilung, daß der Reichsverweser ihn erwählt habe, „um seinen 
Antritt als Reichsverweser an den Höfen zu Athen, Rom und Florenz zu 
notifizieren". Ein Schreiben des Ministers v. Schmerling vom 13. No- 
vember übermittelt dem Fürsten die Notifikationsschreiben für den Papst, 
den König von Griechenland und den Großherzog von Toskana. Für die 
Instruktion des Fürsten wird Bezug genommen auf die ihm übersandten 
Abschriften von Instruktionen?) und auf mündliche Mitteilungen des Unter- 
  
1) Diese Aufzeichnung stammt offenbar aus den letzten Monaten des Fürsten 
und ist anscheinend die einzige Spur des Beginns der Arbeit, die er noch aus- 
ühren wollte. 
*) Es waren dies die Instruktionen für den Reichsgesandten v. Raumer in 
Paris, den Gesandten Dr. Heckscher bei der sardinischen und sizilianischen Regierung 
und die Reichskommissare Welcker und Oberst Mosle in Wien und Olmütz —
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.