Object: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

102 Allgemeine Lehren. § 18 
§ 18. Sonstige ungeschriebene Rechtsquellen. 
Als Rechtsquellen hat man sonst noch ausgegeben die Analogie 
oder die wissenschaftliche Interpretation überhaupt, soweit sie Lücken 
des positiven Rechtes ergänztu), das gemeine deutsche Staatsrechte) 
und das philosophische oder allgemeine Staatsrechts) unter derselben 
Voraussetzung. Alle drei sind jedoch nicht als Rechtsqnellen zu be- 
trachten. 
I. Die Analogie ist dazu bestimmt, Lücken des positiven Staats- 
rechtes zu ergänzen. Während die wissenschaftliche Interpretation 
sonst nur aus dem allgemeinen Rechtssatze ihre Folgerungen für den 
einzelnen Fall zieht, ist der Vorgang hier umständlicher. Da eine 
positive Rechtsnorm fehlt, so muß aus einer anderen für einen ähn- 
lichen aber doch verschiedenen Rechtsfall bestimmten Sondernorm ein 
allgemeiner Rechtsgrundsatz entnommen werden, von dem die vor- 
handene positive Rechtsnorm nur die Folgerung bildet. Aus dem so 
gefundenen allgemeinen Rechtssatze wird aber demnächst wieder die 
besondere Anwendung gefolgert für den zur Entscheidung stehenden 
Fall. Es wird auf diese Weise allerdings eine neue Rechtsfassung ge- 
funden, aber doch nur aus dem schon vorhandenen positiven Rechte. 
Während das geschriebene Recht und die Gewohnheit unbekümmert um 
das vorhandene neues Recht schaffen und als Ausdruck der jeweiligen 
Kullur nur kulturell gebunden sind, ist die Analogie auch rechtlich 
gebunden und baut nur das bestehende Recht in seinen Einzelheiten 
weiter aus. Es wird kein neuer Rechtssatz ausgesprochen, sondern nur 
ein in dem vorhandenen Rechte schon liegender, aber nicht llar aus- 
1) Vgl. Klüber, Oesfentl. Recht, § 62; v. Mohl, Enzyllopädie 
der Staatswissenschaften, 2. Aufl., Tübingen 1872, § 63; Zachariä, 
Deutsches Staats= und Bundesrecht, 3. Aufl., §8 4, 5; v. Rönne- 
Zorn, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 146 ff. 
2) Vgl. die im § 20 angegebenen Hilfsmittel für das Studium 
des gemeinen deutschen Staatsrechts. Siehe auch v. Mohl, leber die 
neuesten Bearbeitungen des allgemeinen deutschen Staatsrechts in Aegidis 
Zeitschrift f. d. St.-R., Bd. 1, S. 354 ff. 
5) Vgl. Nettelbladt, Erörterungen aus dem tentschen Staats- 
recht, Nr. II und IlII; Klüber, a. a. O. § 67; v. Mohl, Cnzy- 
klopädie der Staatswissenschaften, 2. Aufl., §8 25, 53; v. Rönne, 
Pr. St.-R. Bd. 1, S. 85. Im übrigen kann bezüglich der Literatur 
auf R. v. Mohl, Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, 
Bd. 1, Abt. 1, S. 215 ff. verwiesen werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.