Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

62 Die Revolution und die Reichsgesandtschaft (1848 bis 1850) 
zustande kam, da erwachte in vielen Männern von neuem die Begeisterung, 
die Erregung, wie im Jahre 1848. Aber die Zeiten hatten sich geändert. 
Was im vorigen Jahre geduldet wurde, weil man es nicht hindern konnte, 
es war jetzt Verbrechen. Das aber begriff jener bewegliche Teil des Volks 
nicht. Er konnte nicht wissen, daß das, was im März 1848 manchem 
Bewegungsmann zu hohen Ehren verholfen hatte, nun Vergehen sei. Er 
kannte die Zeit nicht. Gewiß, es ist schwer, sich immer von den politi- 
schen Konstellationen genaue Rechenschaft zu geben, genau zu berechnen, 
was gelingen wird, was nicht. Dieser Teil des Volks wußte nicht, 
daß die Regierung nun von kräftigen Männern geleitet wurde, die 
die Revolution zu besiegen wußten, die dem Gesetze Achtung zu ver- 
schaffen die Kraft hatten. Diese erregten Gemüter wußten nicht, daß 
die Zeit vorüber sei, wo man in Katzenmusiken die öffentliche Meinung 
zu erkennen glaubte. Daß das Volk alles dies nicht wußte, daß es 
im Glauben an eine Revolution handelte, die nicht mehr existierte, das 
ist der Hauptfehler, den die meisten Angeklagten und Kompromittierten 
begangen haben. 
Die Stimmung des Fürsten bei dem Schwinden der letzten patrioti- 
schen Hoffnungen, die sich an das Dreikönigsbündnis geknüpft hatten, 
spricht sich in einem scharfen Artikel aus, in dem er in Nr. 71 des „Frank- 
furter Journals“ die Thronrede des Königs von Württemberg besprach. 
„Durch die ganze Thronrede,“ heißt es darin, „klingt ein unheimlicher Ton, 
der von den Gefahren erzählt, die uns von außen drohen, wenn das 
württembergische und das deutsche Volk nicht den väterlichen Ermahnungen 
seiner Monarchen folgt und noch weiter dem Traumbilde der deutschen 
Einheit nachjagt. Wir vernehmen ausdrücklich, daß die Realisierung des 
Bundesstaates nicht möglich sei, „ohne Verletzung jener feierlichen Traktate, 
worauf unfre Stellung und unfre Unabhängigkeit gegen Europa sowie 
das politische Gleichgewicht Europas überhaupt beruht#. Wir hören von 
den „Gefahren, zu denen das Bündnis vom 26. Mai sowohl im Innern 
als nach außen führen muß"“. Es ist also jetzt dem erhabenen Redner 
klar, daß das Ausland unfre Unabhängigkeit gefährden könnte, daß eine 
Einmischung der fremden Mächte in unfre innersten Angelegenheiten 
bevorstehe. So weit sind wir also gekommen, daß man die politische 
Schamhaftigkeit in einem deutschen Königreiche ganz ablegt und vor 
den Augen von ganz Europa gesteht, daß wir es nicht mehr wagen, 
uns eine Verfassung zu geben, wie sie unsern Bedürfnissen entspricht, 
sondern daß die letzte Stimme den Mächten zusteht, die die Verträge 
garantiert haben! So weit ist es also gekommen, daß man diese Ge- 
ständnisse einer demokratischen Versammlung ohne Scheu macht und
	        
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