Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

86 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
Sonne an. Beim Abfahren des Zugs präsentierte die Kompagnie das 
Gewehr und die Musik spielte das „God save the Queen“. Durch die 
grüne Landschaft, bei freundlichen Dörfern und Landhäusern vorbei, fuhren 
wir nun rasch nach London. Dessen Nähe verkündete der Anblick des 
imposanten Glaspalastes von Sydenham und bald auch die rauchige 
Atmosphäre der Stadt selbst. Vom Bahnhofe brachte uns ein Hofwagen 
nach dem Palaste der Königin, Buckingham-Palace, wo wir an dem großen 
Portal von dem Obersten Biddulph, dem Master of the household der 
Königin, empfangen wurden. Die Halle des Palastes, in die wir nun 
eintraten, ist wie der ganze Palast in modernem Baustil mit korinthischen 
Säulen verziert und mit dicken Teppichen belegt. Die Dienerschaft, die 
uns empfing, waren die sogenannten Pages, Kammerdiener in blauem 
Frack und schwarzen seidenen Strümpfen. Während wir in den Seiten- 
gang eintraten, der zur Treppe führt, kam die Königin der Tante ent- 
gegen und begrüßte sie aufs freundlichste. Wir gingen mit ihr in ein 
kleines Kabinett, wo einige Worte gewechselt wurden, ich erhielt meinen 
Teil freundlicher Begrüßung, und hierauf führte die Königin die Tante 
nach ihren Zimmern. Ich empfahl mich, um in den Gasthof zu fahren, 
in welchem mir vom Hofe aus Quartier bestellt war, da ich wegen Mangel 
an Raum nicht in dem Palast einquartiert war. Die Hofequipage brachte 
mich nach dem Brunswick-Hotel, Jermyn Street, einem ziemlich schlechten, 
aber seiner Nähe wegen gewählten Gasthof. Hier fand ich eine Wohnung 
mit mehreren Zimmern für mich hergerichtet, nahm davon Besitz und 
machte dann sofort einen Spaziergang. Ich hatte keine Zeit, war auch 
durch die Reise zu sehr zerstreut, um irgend etwas Ernsthaftes zu sehen 
oder zu tun, richtete also meine Schritte nach dem Hydepark, wo gerade 
große Promenade war. Kein Volk ist so wie das englische der Sklave 
seiner Sitten und Gebräuche, dieses schafsmäßige Nachahmen und Nachtun 
zeigt sich auch bei den Spazierfahrten in dem Hydepark. Jeder, der die 
Mittel dazu hat, fährt, reitet oder geht dahin und bewegt sich nun auf 
dem verhältnismäßig kleinen Raum während einer oder zwei Stunden 
mechanisch umher. Hier bildet sich das, was man die fashion nennt, in 
bezug auf Wagen, Pferde und Morgentoilette. Was hier getragen und 
gebraucht wird, gibt und bildet die Mode, die sich dann schnell über 
England verbreitet. So hat sich zum Beispiel in diesem Sommer die 
violette Farbe bei Herren und Damen in Halstüchern, Handschuhen u. s. w. 
auf eine merkwürdige Weise eingebürgert. Deshalb haben alle Kaufleute 
violette und lilaseidene Gegenstände aushängen. 
An schönen Pferden war kein Mangel, obgleich die Stunde 5 Uhr 
nachmittags nicht die Zeit zum Reiten für die vornehme Welt ist. Diese 
reitet mittags 12 Uhr und geht den Nachmittag oder fährt. Ich konnte
	        
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