Aus den Jahren 1850 bis 1866 87
es übrigens nicht lange aushalten, da mir durch die Masse von Menschen,
die Hitze und das ewige Vormirvorbeireiten und -fahren der Kopf ganz
wüst wurde.
Als ich nach Hause kam, war es Zeit, das Hofkostüm, den schwarzen
Frack, kurze Hose und seidene Strümpfe, anzuziehen, worauf ich dann um
8 Uhr zum Diner nach Buckingham-Palace fuhr. Ich kam zwar nicht
vor 8 Uhr an, kam aber doch viel zu früh und hatte Zeit, mich in dem
für die königliche Familie bestimmten Versammlungszimmer umzusehen.
Es war dasselbe Kabinett, in welches uns die Königin am Morgen ge-
führt hatte: rot= und gelbseidene Tapeten und altmodische (Empire-) Möbel
von demselben Stoff. Ein marmorner Kamin und ein großer Tisch in
der Mitte. Zwei Fenster gewähren Aussicht auf den Garten. Dieser,
ein wohlgehaltener kleiner Park mit wunderschönen großen Bäumen und
grünen Rasenplätzen, gewährte beim Untergang der Sonne einen fried-
lichen und erfrischenden Anblick. Während ich mich daran erfreute, kam
Fürst Ernst Leiningen, den ich seit zehn Jahren nicht gesehen hatte. Er
ist in englischem Seedienst und trug auf seinem Frack eine auffallend
große Anzahl von Medaillen, die er während der Krimkampagne erhalten
hatte. Nach ihm erschien König Leopold der Belgier, mit seinem alten
Fuchsgesicht still umherschleichend, mit ihm sein zweiter Sohn, ein langer
fader blonder Jüngling, der Graf von Flandern. Bald kam auch Prinz
Albert, der mich in gewohnter Weise freundlich begrüßte. Er war den
Mittag bei dem großen Händelfest im Glaspalast gewesen und rühmte die
Aufführung der Musikstücke durch viertausend Musiker vor fünfundzwanzig-
tausend Zuhörern. Während noch hierüber gesprochen wurde, kam die
Königin in Begleitung ihrer Tochter, der Prinzeß Alice, und der Tante,
und nun zog die ganze Gesellschaft, die Königin mit König Leopold voraus,
nach dem großen Empfangssalon. Unterwegs schlossen sich uns die
Damen der Königin an, darunter die Herzogin von Sutherland als Mistress
of the robes, wenn ich nicht irre, und die Herzogin von Atholl, Lady
in waiting. Im großen Saal fanden wir die eingeladenen Gäste, und
sofort ging man zu Tisch. Mir war die Herzogin von Atholl bestimmt,
die sich neben den Prinzen Albert setzte. Auf der andern Seite hatte ich
eine Hofdame, ich glaube, sie hieß Miß Bullsteel. Beide waren gleich
gesprächig, doch erinnere ich mich nichts Genaueres mehr über die Gegen-
stände der meinerseits mit einiger Mühe geführten englischen Konversation,
außer daß bei Gelegenheit eines Gesprächs über russische Zustände die
Herzogin von Atholl mit vielem Interesse von den schwarzen und braunen
Käfern sprach, die russische Wohnungen bevölkern; ob es nun ethno-
graphisches Interesse oder entomologische Kenntnisse waren, die sie auf
dieses Thema führten, kann ich nicht beurteilen. Während der Tafel