104 Poststrafrecht.
Poststrafverfahren ausgeschlossen. Es darf daher auf sie nur da rekurrirt werden,
wo das Gesetz vom 28. Oktober 1871 auf die Vorschriften des geltenden Straf-
progesses Bezug nimmt. In Folge dessen sind eine Reihe von Normen in Geltung
geblieben, die mit den allgemeinen Grundsätzen der StrafP O. nicht im Einklang
stehen, Normen, die früher auch dem Landesrecht angehörten, dort aber zur Zeit
außer Kraft gesetzt sind.
Das Verfahren zerfällt in zwei Abschnitte, in das Submissions= und in das
förmliche Untersuchungsverfahren. Das erstere ist obligatorisch, und steht es der
Behörde nicht frei, von ihm abzusehen. Es besteht darin, daß die Oberpostdirektion
auf Grund der ihr gemachten Anzeige ohne nähere Untersuchung und vor der Ein-
leitung eines förmlichen Verfahrens dem Beschuldigten mittels Verfügung eröffnet,
welche Geldstrafe für von ihm verwirkt zu erachten sei, und ihm freistellt, das fernere
Verfahren und die Ertheilung eines Strafbescheides durch Bezahlung der Strafe und
der Kosten binnen einer Frist von 10 Tagen zu vermeiden. Dieses Verfahren,
dessen sich auch das Preuß. Landesrecht mehrfach, z. B. in dem Gesetz über die Ge-
bäudesteuer, bedient, hat neben dem Vorzuge großer Schnelligkeit den Vortheil, den
Angeschuldigten der mit der Durchführung des Administrationsverfahrens verbundenen
Unannehmlichkeiten zu entheben, und ruht auf der Annahme, daß die strafbare
Handlung nicht sowol in böser und gewinnsüchtiger Absicht, als vielmehr aus Un-
kenntniß des Gesetzes, Unachtsamkeit oder Fahrlässigkeit begangen worden und deshalb
von dem Beschuldigten nicht in Abrede gestellt werden wird.
Erfolgt innerhalb der 10 Tage die Zahlung nicht oder nur unter gleichzeitiger
Erhebung einer Einrede, durch welche die Schuld bestritten oder die richtige Be-
rechnung der Strafe bemängelt wird, so tritt das förmliche Verfahren ein. Es wird
dadurch eröffnet, daß die Oberpostdirektion die Einleitung der Untersuchung anordnet
und mit ihrer Führung entweder die am Wohnorte des Beschuldigten bzw. am Orte
der That befindliche Postanstalt oder den Bezirksaufsichtsbeamten beauftragt. Die
Rechte des Untersuchungsbeamten sind beschränkter, als die einem Richter zustehenden;
er ist nicht berechtigt, irgend welchen Zwang gegen den Beschuldigten oder die zu
vernehmenden Personen zu üben, um sie zur Befolgung seiner Vorladung oder zur
Abgabe einer Erklärung oder Aussage zu veranlassen: er ist auch nicht berechtigt,
die Vereidigung gehörter Zeugen oder Sachverständigen vorzunehmen. Die La-
dungen und sonstigen Zustellungen können zwar durch die Postunterbeamten oder den
Gerichtsvollzieher bewirkt werden; wenn jedoch die Zeugen oder Sachverständigen
der Ladung nicht folgen, so muß das zuständige Amtsgericht um die Bewirkung der
Ladung ersucht werden, welches das gerichtliche Verfahren bei Ladung von Zeugen
oder Sachverständigen in Strafsachen zur Anwendung bringt und nöthigenfalls auf
weiteres Anrufen der Postbehörde die Strafen des ungehorsamen Ausbleibens gegen
den Zeugen oder Sachverständigen ausspricht. Erscheinen sie, verweigern aber ihr
Zeugniß, so greifen die gerichtlichen Zwangsmittel gegen sie nicht Platz, sondern es
muß die Postbehörde, wenn sie die Zeugnisse für nothwendig erachtet, die Sache
zur gerichtlichen Entscheidung verweisen. Dagegen ist der Untersuchungsbeamte ver-
bunden, den Beschuldigten über die Anschuldigung zu vernehmen und ihm, wenn
die zu verhängende Geldstrafe nach der Submissionsverfügung den Betrag von
150 Mark übersteigt, auf sein Verlangen eine Frist von vier Wochen zur Ein-
reichung einer Vertheidigungsschrift zu gewähren. Ein Versäumnißverfahren findet
gegen ihn nicht statt. Die Untersuchung ist eine summarische, die an keine besonderen
Formen behufs Legalisirung der Protokolle und des Verfahrens gebunden ist. Es be-
darf bei der Aufnahme der ersteren selbst bei der Schreibensunkunde der vernommenen
Person nicht der Zuziehung einer zweiten sog. Beglaubigungsperson. Das Verfahren
nach dieser Richtung hin in strengere Formen zu kleiden, war nicht Bedürfniß, weil
dem Beschuldigten jeder Zeit die Anrufung des Gerichts offen steht. Das Ergebniß
der beendigten Untersuchung untersteht der Prüfung der Oberpostdirektion. Sie ver-