Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

106 Postuml. 
getaucht sein, ob die Uebergehung eines postumus in der letztwilligen Verfügung, mit 
anderen Worten, ob das Erscheinen eines postumus nach Errichtung eines ihn nicht 
berücksichtigenden Testaments das Testament „rumpire“, ungültig mache. Im Röm. 
Sinne ist nun ein Unterschied zu machen zwischen p. alieni und p. sui; letztere sind 
die nach einem bestimmten Zeitpunkt der väterlichen Gewalt des Erblassers Zu- 
gefallenen, jene die p., welche mit der patria potestas des Erblassers nichts zu thun 
haben. Die p. alieni sind in Beziehung auf Testamentsgültigkeit völlig irrelevant, 
sie konnten nicht einmal mit Rechtsgültigkeit zu Erben eingesetzt oder mit einem 
Legat bedacht werden, nur Fideikommisse, seit sie aufkamen, durfte man ihnen zu- 
wenden. Erst das Prätorische Erbrechtssystem erkannte den eingesetzten p. alieni die 
bonorum possessio secundum tabulas zu (pr. I. 3, 9; fr. 3 D. 37, 11), während 
andererseits ein Senatsschluß unter Hadrian ihnen auch die Fideikommißfähigkeit, 
solglich die Vermächtnißfähigkeit überhaupt entzog (Gajus, II. 287, f. aber 
Huschke in seiner Ausg. ad h. 1. nota 3). Justinian hat dann in seiner c. de 
incertis personis (c. 1 § 1 C. 6, 48; § 27 I. 2, 20) alle p. im Allgemeinen als 
kapabel für jede letztwillige Disposition anerkannt (Beschränkung s. in § 28 I. 2, 
20; fr. 9 §§ 1, 3, 4. fr. 28 § 3 D. 28, 2). 
Unter p. sui verstand man schon nach altem Civilrecht diejenigen, welche beim 
Tod des Erblassers noch nicht geboren waren, welche aber, falls sie bereits zur Zeit 
der Testamentserrichtung geboren gewesen wären, in dieser potestas gestanden haben 
würden. Diese Personen mußten entweder eingesetzt oder enterbt werden, wenn sie 
das Testament nicht rumpiren sollten (Ulpian., XXII. 18, 19, vgl. 15). Man 
nennt sie p. legitimi. Das gleiche Gewaltverhältniß, wie in diesem Falle, trat 
nun auch ein, wenn dem Erblasser nach seinem Tode ein Enkel geboren wurde, 
dessen Vater schon vor dem Erblasser gestorben war, und daher hat für diesen Fall 
Gallus Aquilius, ein Zeitgenosse Cicero's, eine Erbeinsetzungsformel erfunden, welche 
uns in der als eine der sieben leges damnatae berüchtigten lex Gallus (fr. 29 pr. 
D. 28, 2) mitgetheilt wird (sog. p. Aquiliani). Die Jurisprudenz wandte 
dann diese Formel auch auf Urenkel des Erblassers an (fr. 29, 88 2—4 cit.), zu- 
nächst aber bestimmte eine lerx Junia Vellea vom Jahre 27 n. Chr. (Bruns, 
Fontes, 108), daß die zwar noch bei Lebzeiten des Erblassers, aber nach der Testa- 
mentserrichtung ihm als sui geborenen ebensogut wie diejenigen, welche nach der 
Testamentserrichtung durch Wegfall von Vorgängern sui würden, im Testament 
zu berücksichtigen seien, wenn nicht das Testament durch ihre Agnation rumpirt 
werden solle (sog. p. Velleani, primi et secundi capitis). Die lex Junia Vellea 
hatte von den nach dem Testirakt und nicht sofort bei der Geburt sui Gewordenen 
diejenigen nicht ausdrücklich berücksichtigt, welche erst nach jenem Zeitpunkt geboren 
worden waren; Julian glaubte auch diesen Fall nach Analogie des Gesetzes beurtheilen zu 
müssen und die Jurisprudenz rezipirte diese Meinung (kr. 29 § 15 cit.; sog. p. Sal- 
viani s. Juliani). In ährlicher Weise dehnte man die bereits gefundenen Vor- 
schriften auf analoge Fälle aus, z. B. auf die nach des Erblassers Tod erst agnaszirenden, 
vorher aber schon geborenen p. sui (fr. 29 §§ 5—9 cit.), namentlich aber auf die 
Fälle, in welchen die Agnation nicht auf dem natürlichen Wege der Geburt und 
des Nachrückens, sondern auf dem künstlichen Wege der erroris causae probatio, 
manumissio oder adoptio 2c. (hinsichtlich solcher Fälle war noch anderer Meinung 
Gajus, II. 138—43) zu Stande kam. Dadurch ward denn allmählich für den 
testirenden Römer die Weitläufigkeit einer letztwilligen Verfügung immer größer, 
denn er mußte formell, um die Ruption seines Testaments zu verhüten, jeden mög- 
lichen Fall einer agnatio p. berücksichtigen und den postumus entweder einsetzen oder 
enterben, so daß z. B. die Formel; si qui post mortem meam p. nati fuerint, 
heredes sunto: die Gültigkeit des Testamentes nicht schützte, wenn noch zu Leb- 
zeiten des Erblassers sui agnaszirten (Paul., III. 4b, 9; fr. 10 D. 28, 2). 
Diesem Formalismus half endlich Justinian ab (c. 4. § 8 C. 6, 28), obwol auch 
 
	        
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