Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

116 Pruͤjudizialsachen. 
Präjudizialsachen sind im Gebiete des Civ. Prz. (v. Bar, Th. I. Suppl. 
S. 30) klagbare Ansprüche, denen ein zu Grunde liegendes konkretes Verhältniß 
in solcher Weise gemeinsam ist, daß mit der Entscheidung über den einen konsequent 
im Grunde auch schon die Entscheidung über den anderen gegeben ist. Die ältere 
Konnexitätstheorie definirte die P. als „Prozeßsachen“, unter welchen sie Einreden 
neben Klagen, prozessuale und materielle Vorfragen neben Rechtsverfolgungsmitteln 
zusammenfaßte und in den Begriff der P. übertrug. Das Röm. Recht dagegen ver- 
steht das Präjudiziren von der Entscheidung ganzer Prozesse, und da die End- 
entscheidung als solche eben eine Entscheidung über den Anspruch ist, so sind es am 
letzten Ende die Ansprüche selbst, zwischen denen der Präjudizialnexus obwaltet, nicht 
dagegen Einreden und in den Zusammenhang desselben Anspruchs und Prozesses ge- 
hörende Vorfragen. Wo nun ein Präjudizialverhältniß zwischen zwei Ansprüchen 
obwaltet, schreibt nach Planck das Röm. Recht vor, daß die causa major, der 
Prozeß über den bedeutenderen, namentlich den bedingenden, der causa minor, dem 
Prozeß über den unwichtigeren bzw. bedingten, voraufgehen soll. Zur Herbeiführung 
dieser Ordnung gab das Röm. Recht nach O. Bülow zwei Mittel, die exceptio 
praejudicii und das „Präjudizialdekret“. Umging nämlich der Kläger die Reihenfolge, 
indem er statt der causa major die minor anhängig machte, so ward er auf Grund 
der dem Beklagten gewährten exceptio abgewiesen, die nach Bülow aber auf 
Grundstücks= und Erbschaftsprozesse beschränkt war. Traf das Handeln des Klägers 
kein Vorwurf, stellte er beide Prozesse zugleich an oder handelte sich's um Prozesse 
verschiedener Kläger 2c., so verfügte der Magistrat die Aussetzung oder Sistirung der 
causa minor, was sowol auf Antrag, wie Schlesinger mit Recht hervorhebt, als 
von Amtswegen möglich war. Das heutige Gem. Recht beschränkt nach Planck 
die P. auf bedingende und bedingte Ansprüche. Die Deutsche Resetzgeb. gestattet 
dem Gerichte von Amtswegen wie auf vorgebrachte exceptio praejudicü# das Ver- 
fahren in einer Civilsache durch einen Beschluß, der mittels Beschwerde anfechtbar 
ist, auszusetzen, wenn ein Rechtsverhältniß in Frage kommt, welches den Gegenstand 
eines bereits anhängigen Rechtsstreites bildet oder der Feststellung durch eine Ver- 
waltungsbehörde bedürftig ist, oder wenn sich der Verdacht einer strafbaren Hand- 
lung, z. B. einer Wechselfälschung, ergiebt und die Ermittelung derselben für die 
Entscheidung der Civilsache von Einfluß sein könnte, ohne daß jedoch das Straf- 
urtheil für den Civilrichter bindend wäre. 
Quellen: I. ze 8 10 D. 4, 8. — I.I. 37, 54 D. 5, 1. — I. 5 8§ 1, 2; I1. 7; 1. 13 
4; 1. 25 § 17; I. b. ö. -.42 rr. p. 9 4 1. 1 § 1; 1. 50 § 1 D. 10, 
— I. 14 pr. ii, 1. — Titt. D. 37, 9. 10. — n 11. 2/. 52.4 H. 40 1 — 
I. 4 § 1 D. 40, 15. — 1. 5 D. 43, 5. — I. 1 P. 43, 15. — 2 § 7D. 43, 29. — 
Er 13 16, 18 21P. 4 1. — 1 b. nn er iit 
30, 17. — I. 4 C. 3. S. — 1. 1 C. 3, 26. — I. 12 C. 8, 31. — I. 5 C. - 16. — I. 31 
9. 7, 16. — Tit. . 7, 19. — I. 33 0. 3 — 1 9, 22. — Cic. de invent. 2, 20. — 
Gejus 4, 133. — Tit. X. 2, 10. c. 5 X. 4, 17. — C. de e proc. art. 171, 250; C. pen. art. 3, 
171, ———— rN — Beut Stus v. 1867 § 10.— Allg. Ger.Ordn. Th. I. Tit. 3 
* 178; Tit. 5 8§. 29 ff.; Tit. 9 88 20 ff., T 10 S fl Tit. 13 §§ 36 ff.; Tit. 43 
I5 11 ff. — Deutsche CPO. Fn 139, 140, 229; — 8'14 
Lit.: Pilii ordo jad, P 2 88 Bg- sperect * 5 P. 2 tit. 20 88 1899. — 
glopraty, Bürg. Prz., 4. Aufl., Bd. I. § 99. — Gönner, Handb, Bd. I. Abh. XXV. 
1 ff. — Linde, Lehrb., §§ 56 ff. — 3 Syst., § 64. — Renaud, Lehrb., 
13. — Bethmann- Holkweg, Versuche, S. 123 ff.; Derselbe, Lem. u6v. Bd. II. 
400 ff. — Brackenhoeft, Erörterungen zu Linde's Lehrbuch, 88 54 ff. — Planck, 
Mehrheit d. Rechtsstreit. 8#½ 26 ff., 56 ff.; Derselbe, Strafverf., § 58; Derselbe, Verhandl. 
des 7. Jur.Tags, Bd. 3 ff.; Derselbe, Münch. Krit. V.J chr. Bd. l S. 161 ff. — 
Dernburg, ernsanl. * Hered. Pet., 1852. — Franke, Komm. über d. Pand.-Tit. de 
H. P., 1864. — 0. Bülow, Diss. de praej. except., 1863; Derselbe, Prz. Einreden, 
S. 112 ff. — A. Pernice, Diss. de ratione cett., 1864; Derselbe, V.JSchrift cit. Bd. V. 
S. 413 ff. — R. Schlesin er, Gött. gel. Anz. 1869 S. 881 ff. — Pigeau, La proc. 
civ., l n I p. 320 ss. — Hster Franz. Strafverf., § 39. — Die Kommentare z. Deutschen 
CPO. 1 K. Wieding. 
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