Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Preoarlum. 131 
halten ist, nicht nur die Geltendmachung jedes in seiner Person begründeten ding- 
lichen Rechtes, sondern außerdem 
1) das interdictum de precario zu. Seit Savigny pflegt dieses als inter- 
dictum recuperandae possessionis ausgefaßt zu werden, wogegen neuerdings sein 
possessorischer Charakter vielfach bestritten wird. Jedenfalls nun unterscheidet es sich 
von anderen Besitzklagen dadurch, daß es nicht sowol den Besitz des Klägers als 
vielmehr die prekäre Natur des dem Beklagten zustehenden Besitzes geltend macht. 
Macht es geltend, daß der Besitz des Beklagten lediglich auf der Gestattung des 
Klägers beruht und daher nicht gegen dessen Willen behauptet werden darf, so mag 
es immerhin als Besitzklage gelten; denn es macht den Besitz des Beklagten geltend 
als einen dem Kläger gegenüber nicht in Betracht kommenden, macht also geltend, 
daß im Verhältniß zum Beklagten der Kläger, von welchem jener seinen Besitz hat, 
als Besitzer zu behandeln sei. Das Interdikt erscheint also nicht sowol, wie Savigny 
annimmt, dem interd. de vi als den interdicta retinendae possessionis analog; in- 
dem es nicht durch Vorenthaltung der Sache trotz erfolgten Widerrufes bedingt ist, 
gründet es sich nicht auf vitiöse Entziehung des klägerischen Besitzes, sondern darauf, 
daß der Kläger im Verhältniß zum Beklagten als einem lediglich kraft seiner Ge- 
stattung Besitzenden als Besitzer behandelt wird. 
Gegen den possessorischen Charakter des Interdiktes kann nicht eingewendet 
werden: 
a) daß es keinen juristischen Besitz des Klägers voraussetze, denn dadurch, daß 
er einem anderen den juristischen Besitz precario überläßt, gerirt sich der Detentor 
als juristischer Besitzer. Ebensowenig widerlegt die Annahme possessorischen Charakters 
b) der Ausschluß des Interdiktes gegen den Eigenthümer, da hier der vom 
Interdikte geltend gemachte prekäre Charakter des Besitzes nicht zutrifft. 
2) Eine vertragsmäßige Verpflichtung des Prekaristen zur Rückerstattung 
wurde später dadurch anerkannt, daß dem precario dans eine actio praescriptis verbis 
zuerkannt wurde. Während das Interdikt auf Restitution oder Entschädigung wegen 
ihres Unterbleibens nur zusteht gegen den Besitzer und denjenigen, welcher dolo malo 
possidere desiit: so geht jene Vertragsklage auch auf Ersatz jeder durch grobe Ver- 
nachlässigung der Sache dem Kläger zugefügten Schädigung. 
Die Verpflichtung des Prekaristen « 
1) entsteht durch Empfang des juristischen Besitzes vom precario dans. Der 
Besitz des Empfängers wird 
2) aus einem prekären ein ungerechtfertigter durch Widerruf, sowie, falls der 
fortdauernde Wille des precario dans als positive Bedingung gesetzt ist, durch den 
Untergang seiner Person oder Willensfähigkeit; während andernfalls der Besitz des 
Empfängers den Erben des Verleihers gegenüber seine prekäre Natur behält. Da- 
gegen erstreckt sich die dem Empfänger ertheilte Konzession nicht auf seine Erben; 
doch steht das Interdikt nach Ulpian's freilich von Celsus und Papinian (I. 11 D. 
de div. temp. praescr. 44, 3) widersprochener Ansicht auch gegen den Erben zu. 
Diese Ausdehnung des Interdiktes ist analog der Erstreckung der Deliktsklagen gegen 
die Erben, indem es gegen den Erben geht als Subjekt eines ungerechtfertigten vom 
Kläger herrührenden Besitzes. 
Während manche (mit Unrecht) behaupten, daß dem Gem. Rechte die Unter- 
scheidung des P. vom Kommodate fremd sei, ist dieselbe im Preußischen LR. fest- 
gehalten, dagegen behandeln andere Gesetzgebungen wie der Code Napoléon und das 
Züricher BGB. (§ 1129) das P. als einen besonderen Fall des Kommodates. 
Quellen: D. 43, 26 de precario. — C. 8, 9 de precario et Salviano. — Preuß. 
Allg. LR. I. 21 8 231 ff. · « 
LIt.-thdche1d,§376.—Vangerow,§691.-—S1ntents,11.S.551.- 
Brinz, 2. Aufl., S. 184. — Dernburg, Preuß. Privatrecht, II. § 174. — Kritz, Pan- 
dektenrecht, I. 1 S. 315 ff. (1837). — G. E. Schmidt, Das commodatum und precarium 
(1841). — Dankwardt in Ihering's Jahrb. XIV. S. 284 ff. — Ubbelohde im eiv. 
9.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.