Preßgewerbe. 137
der Reichsgesetzgebung stehen die P. im Allgemeinen den übrigen Gewerben gleich,
während sie nach Oesterr. Recht den drückendsten Ausnahmsbestimmungen unterworfen
sind. Nicht zu den P. gehören: a) die gewerbsmäßige öffentliche Verbreitung von
Druckschriften (Preßges. § 5); sie kann durch die Ortspolizeibehörde bestimmten
Personen aus den in § 57 der Gew. O. angeführten Gründen untersagt werden;
b) die Beförderung von Zeitungen politischen Inhalts, die öfter als einmal wöchent-
lich erscheinen, und durch das Reichspostges. vom 28. Oktober 1871 dem Postzwange
unterworfen sind.
Auf die P. selbst finden die Bestimmungen der Gew.O. vom 21. Juni 1869
Anwendung (Preßges. § 4). Diese unterscheidet zwischen dem stehenden und dem
Gewerbebetrieb im Umherziehen; eine Unterscheidung, die mit den in Bezug auf
P. bisher üblichen nur theilweise zusammenfällt. Wesentliche Beschränkungen hat
auf diesem Gebiet das Sozialistenges. vom 21. Oktober 1878 gebracht.
2. Nach Reichsrecht ist der stehende Betrieb der P. an keine behördliche
Bewilligung geknüpft; das System der Konzessionirung ist aufgegeben. Erforderlich
ist lediglich: a) mit dem Beginne des Betriebes gleichzeitige Anzeige desselben;
b) bei gewissen P. (Buch= und Steindrucker, Buch= und Kunsthändler, Antiquare,
Leihbibliothekare, Inhaber von Lesekabineten, Verkäufer von Druckschriften, Zeitungen
und Bildern sind in § 14 der Gew. O. genannt) Anzeige des Gewerbelokales. —
Dagegen bedürfen nach Oesterr. Recht (Gew. O. vom 20. Dezember 1859) einer be-
sonderen Konzession alle Gewerbe, welche auf mechanischem oder chemischem Wege
die Vervielfältigung von literarischen oder artistischen Erzeugnissen oder den Handel
mit denselben zum Gegenstande haben; ferner die Unternehmungen von Leihanstalten
für derlei Erzeugnisse und von Lesekabineten. Die Photographie wurde 1864 für
ein freies, die Photolithographie 1870 für ein konzessionirtes Gewerbe erklärt. Der
Bewerber um die Konzession muß Verläßlichkeit, Unbescholtenheit und genügende
allgemeine Bildung nachweisen (Gew. O. §§ 16, 18, 19). Der Selbstverlag ist frei-
gegeben (Preßges. von 1862, § 3); das Recht zur Herausgabe einer periodischen
Druckschrift schließt auch das Recht zum Verlage derselben in sich (Preßges. § 3);
begünstigt ist der Verkauf von Schulbüchern, Kalendern, Heiligenbildern, Gebeten
und Gebetbüchern (Preßges. § 3, Gew.O. §# 19). Endlich kann der Verkauf
periodischer Druckschriften durch Statthalterei oder Polizei bestimmten Personen für
einen zu bezeichnenden Bezirk auf Widerruf bewilligt werden.
3. Als „fliegenden Buchhandel“ bezeichnet man den Vertrieb von
Druckschriften außerhalb bestimmter Verkaufslokale. So alt wie die Buchdruckerkunst
erfreute er sich stets besonderer Aufmerksamkeit von Seiten der Gesetzgebung, die ihn
entweder zu unterdrücken oder doch scharfer Ueberwachung zu unterwerfen suchte.
Die Formen, in welchen der fliegende Buchhandel auftritt, wechseln nach Zeitalter
und Volkstemperament; immer aber ist er ein ebenso wichtiges wie gefährliches
Ferment in dem geistigen Leben weitausgedehnter Volksschichten. Nach der Reichs-
gesetzgebung kann der fliegende Buchhandel entweder im Umherziehen oder aber als
Ausfluß des stehenden Gewerbebetriebes ausgeübt werden; nach diesem Unterschiede
bestimmen sich die ihn regelnden Rechtssätze. Seine heutigen Formen sind:
a) Das Hausiren mit Druckschriften oder die Kolportage: der Ver-
trieb von Druckschriften im Umherziehen, also (RGew.O. § 55) außerhalb des
Wohnortes des Gewerbsmannes ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung
und ohne vorgängige Bestellung. Die Kolportage ist an die Ertheilung eines auf
den Namen lautenden Legitimationsscheines gebunden. Dieser kann Ausländern
ohne Weiteres, Reichsangehörigen dagegen, die im Inlande domizilirt und 21 Jahre
alt sind, nur aus bestimmten Gründen (RGew.O. § 57 abschreckende oder ansteckende
Krankheit, Verurtheilung wegen gewisser Delikte, Stellung unter Polizeiaufsicht, übler
Leumund) versagt werden. — In Oesterreich ist das Kolportiren von Druckschriften
unbedingt und ohne jede Ausnahme verboten (Gew.O. § 51).